12. Februar 2023

 

Ermöglichung einer rein virtuellen Mitgliederversammlung durch einfachen Beschluss (§ 32 Abs. 2 Satz 2 BGB n.F.) – Was ist das?

 

- von Prof. Dr. Lars Leuschner -

 

Am 9. Februar hat der Bundestag das „Gesetz zur Ermöglichung digitaler Mitgliederversammlungen im Vereinsrecht“ beschlossen. Hiernach kann der Vorstand zukünftig entscheiden, ob die Mitgliederversammlung (rein) präsent oder hybrid abgehalten wird (§ 32 Abs. 2 Satz 1 BGB n.F.). Diskussionen ausgelöst hat vor allem der auf Vorschlag des Rechtsausschusses aufgenommene § 32 Abs. 2 Satz 2 BGB n.F., wonach die Mitgliederversammlung beschließen kann, dass künftige Versammlungen auch als (rein) virtuelle Versammlungen einberufen werden dürfen. Aus der Begründung ergibt sich, dass ein entsprechender Beschluss mit einfacher Mehrheit gefasst werden kann.

 

Bei der „50+x%-Lösung“ des § 32 Abs. 2 Satz 2 BGB n.F. handelt es sich offenbar um einen Kompromiss zwischen dem ursprünglichen Entwurf, der für die Ermöglichung der rein virtuellen Versammlung eine Satzungsänderung verlangte („75%-Lösung“), und dem von mehreren Experten unterstützen Vorschlag des Bündnisses für Gemeinnützigkeit, in Fortführung der Covid-Sonderregelungen auf ein Mitwirkungserfordernis der Mitglieder zu verzichten („0%-Lösung“). Wie so häufig bleiben systematische Überlegungen bei solchen Kompromissen auf der Stre>Ein Systembruch ist indes nicht zwingend schlecht. Das einfache Mehrheitserfordernis ist zu begrüßen, verhindert es doch, dass Bedenkenträger sich allzu leicht dem Fortschritt entgegen stellen können. Ob der Verzicht auf das Eintragungserfordernis  in der Praxis negative Auswirkungen haben wird, ist schwer abzuschätzen. Das Prinzip, wonach im Recht der Körperschaften Satzungsänderungen der konstitutiven Eintragung in einem Register bedürfen, will sicherstellen, dass sich aktuelle Mitglied und zukünftige Mitglieder (das Wesen der Körperschaften besteht darin, dass sie auf Fluktuation ausgerichtet ist) rechtssicher über den maßgeblichen Stand der „wichtigsten Spielregeln“ informieren können. Kann die Verfassung wie im Fall des § 32 Abs. 2 Satz 2 BGB n.F. außerhalb des Registers geändert werden, ist das nicht gewährleistet. Um den Schutz zukünftiger Mitglieder wird man sich zwar weniger Sorgen machen müssen. Die Vorstellung, dass diese sich vor ihrem Beitritt durch Blick in die Registerakte über die Verfassung  informieren, dürfte ohnehin kaum der Realität entsprechen. Nicht ganz unberechtigt erscheint aber die Sorge, dass es zukünftig in dem einen oder anderen Verein einmal zum Streit darüber kommt, ob ein Beschluss im Sinne des § 32 Abs. 2 Satz 2 BGB n.F. gefasst bzw. im Wege des actus contarius wieder kassiert wurde. Denn eine rechtssichere Dokumentation einfacher Beschlüsse findet nicht statt.

 

 

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