25. Mai 2023

Investoren-Einstieg bei der DFL gescheitert – War eine 2/3-Mehrheit wirklich erforderlich?

- von Prof. Dr. Lars Leuschner -

Gestern wurde auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung des DFL e.V. darüber abgestimmt, ob der Prozess zum Einstieg eines Investors fortgesetzt wird. Geplant war die Gründung einer DFL MediaCo GmbH & Co. KGaA, in die die Medienrechte ausgelagert und an der ein Investor beteiligt werden sollte. Von den 36 Klubs stimmten 20 für den Antrag, 11 dagegen und 5 enthielten sich. Da auf diese Weise die nach Einschätzung der Initiatoren erforderliche 2/3-Mehrheit nicht erreicht wurde, wird der Prozess nunmehr beendet.

 

Aus Sicht des Vereinsrechtlers verwundert die Einschätzung, dass für den Investoren-Einstieg eine 2/3-Mehrheit erforderlich gewesen sein soll (ganz und gar abwegig ist die zum Teil vertretene Einschätzung, der Einstieg hätte eines einstimmigen Beschlusses bedurft). Sportpolitisch mag es Gründe geben, einen solchen – vor allem unter Fans umstrittenen – Schritt nur bei Vorliegen einer entsprechenden Mehrheit anzugehen. Aus rechtlicher Sicht hätte es der 2/3-Mehrheit aber wohl nicht bedurft. Bei der Entscheidung über den Investoren-Einstieg handelt es sich um eine Geschäftsführungsmaßnahme. Da diese außergewöhnlicher Natur ist, musste sie der Mitgliederversammlung vorgelegt werden (MüKoBGB/Leuschner, 9. Aufl. 2021, BGB § 27 Rn. 50). Gemäß § 27 (2) der DFL-Satzung beschließt die Mitgliederversammlung des DFL e.V. aber grundsätzlich mit einfacher Mehrheit. Das Erfordernis einer 2/3-Mehrheit besteht gemäß § 27 (3) der DFL-Satzung nur in besonderen Fällen, d.h. insbesondere bei Satzungsänderungen.

 

Dass aber der Investoren-Einstieg zwingend eine Satzungsänderung voraussetzt, will nicht wirklich einleuchten. Anknüpfungspunkt für die gegenteilige Einschätzung könnte allenfalls § 4 (2) der DFL-Satzung sein, wo es derzeit heißt „[z]ur Aufgaben- und Zweckerfüllung hat der DFL e.V. die DFL Deutsche Fußball Liga GmbH (DFL GmbH) gegründet“. Insoweit mag man argumentieren, dass die geplante Gründung einer weiteren Tochtergesellschaft, der DFL MediaCo GmbH & Co. KGaA, nur zulässig ist, wenn auch sie in der genannten Satzungsbestimmung ausdrücklich erwähnt wird. Zwingend erscheint eine solche Sichtweise aber nicht. Zudem wären ohne weiteres andere Strukturen in Betracht gekommen, bei denen sich die entsprechende Frage gar nicht gestellt hätte. So wäre insbesondere denkbar, die DFL MediaCo GmbH & Co. KGaA nicht als Schwester-, sondern als Tochtergesellschaft der DFL GmbH zu gründen. Schon jetzt verfügt diese über mehrere Tochtergesellschaften, ohne dass dies die Satzung ausdrücklich erlaubt (was auch nicht erforderlich ist). Eine andere Möglichkeit wäre gewesen, den Investor ohne Ausgliederung der Medienrechte rein schuldrechtlich an deren Erlösen zu beteiligen. Auch insoweit hätte es einer Satzungsänderung sicherlich nicht bedurft.

 

23. März 2023

Overview of German Law on Associations

- von Prof. Dr. Lars Leuschner und wiss. Mit. Tim Wöffen, LL.M -

Die EU-Kommission hatte am 29.9.2022 eine englischsprachige, rechtsvergleichende Studie zum Vereinsrecht der 27 Mitgliedstaaten veröffentlicht (siehe unseren Blog-Eintrag vom 20. Oktober 2022). Aufgrund einiger Mängel wird die Studie aktuell neu aufgelegt und auf Anfrage von Prof. Antonio Fici (Universität Molise), der auch den entsprechenden Fragebogen erstellt hat, haben wir im Dezember 2022 einen völlig neugefassten Teil zum deutschen Recht beigesteuert.

 

Um den hieraus hervorgegangenen Überblick zum deutschen Vereinsrecht einschließlich des Gemeinnützigkeitsrechts einem breiteren Publikum zur Verfügung zu stellen, haben wir unsere Antworten zu einem eigenständigen Beitrag verarbeitet, den wir an dieser Stelle zum Download zur Verfügung stellen. Rückfragen und Anmerkungen hierzu sind willkommen (info@vereinsrechtstag.de).

 

 

12. Februar 2023

- von Prof. Dr. Lars Leuschner -

Ermöglichung einer rein virtuellen Mitgliederversammlung durch einfachen Beschluss (§ 32 Abs. 2 Satz 2 BGB n.F.) – Was ist das?

Am 9. Februar hat der Bundestag das „Gesetz zur Ermöglichung digitaler Mitgliederversammlungen im Vereinsrecht“ beschlossen. Hiernach kann der Vorstand zukünftig entscheiden, ob die Mitgliederversammlung (rein) präsent oder hybrid abgehalten wird (§ 32 Abs. 2 Satz 1 BGB n.F.). Diskussionen ausgelöst hat vor allem der auf Vorschlag des Rechtsausschusses aufgenommene § 32 Abs. 2 Satz 2 BGB n.F., wonach die Mitgliederversammlung beschließen kann, dass künftige Versammlungen auch als (rein) virtuelle Versammlungen einberufen werden dürfen. Aus der Begründung ergibt sich, dass ein entsprechender Beschluss mit einfacher Mehrheit gefasst werden kann.

 

Bei der „50+x%-Lösung“ des § 32 Abs. 2 Satz 2 BGB n.F. handelt es sich offenbar um einen Kompromiss zwischen dem ursprünglichen Entwurf, der für die Ermöglichung der rein virtuellen Versammlung eine Satzungsänderung verlangte („75%-Lösung“), und dem von mehreren Experten unterstützen Vorschlag des Bündnisses für Gemeinnützigkeit, in Fortführung der Covid-Sonderregelungen auf ein Mitwirkungserfordernis der Mitglieder zu verzichten („0%-Lösung“). Wie so häufig bleiben systematische Überlegungen bei solchen Kompromissen auf der Strecke: Die Verfassung einer Körperschaft kann grundsätzlich nur im Wege der Satzungsänderung und somit unter Einhaltung der Satzungsänderungsregelungen modifiziert werden (zum Begriff der „Verfassung“ MüKoBGB/Leuschner, 9. Aufl. 2021, BGB § 25 Rn. 2). Die Neuregelung weicht davon ab, in dem sie es ermöglicht, von der gesetzlichen Regelung, wonach Mitgliederversammlungen präsent oder hybrid abzuhalten sind, durch einfachen Beschluss abzuweichen. In Anlehnung an den vor allem im GmbH-Recht verwandten Begriff der stautarischen Öffnungsklausel mag man insoweit von einer „gesetzlichen Öffnungsklausel“ sprechen. Das sollte aber nicht zu dem Missverständnis führen, bei dem auf Grundlage von § 32 Abs. 2 Satz 2 BGB n.F. gefassten Beschluss handele es sich um keine Satzungsänderung (in diesem Sinn aber unzutreffender Weise die h.M. bei der Bewertung statuarischer Öffnungsklauseln, ausführlich Leuschner ZHR 184 (2020), 606 ff.). Da vor der Beschlussfassung die Verfassung des Vereins die präsente oder hybride Abhaltung der Mitgliederversammlung verlangt, nach der Beschlussfassung auch eine rein virtuelle Versammlung möglich ist, bewirkt der Beschluss sehr wohl eine Änderung der Verfassung und hat daher die Qualität einer materiellen Satzungsänderung (nicht formell, da außerhalb der Satzungsurkunde; näher MüKoBGB/Leuschner, 9. Aufl. 2021, BGB § 25 Rn. 4 ff.). § 32 Abs. 2 Satz 2 BGB n.F.  ändert folglich nichts an der Notwendigkeit einer Satzungsänderung, sondern bewirkt lediglich, dass diese ohne Einhaltung der Satzungsänderungsregelungen der §§ 33 Abs. 1 S. 2, 1. Hs. 71 Abs. 1 S. 1 BGB, d.h. ohne Einhaltung des qualifizierten Mehrheits- sowie des Eintragungserfordernisses möglich ist.  

 

Ein Systembruch ist indes nicht zwingend schlecht. Das einfache Mehrheitserfordernis ist zu begrüßen, verhindert es doch, dass Bedenkenträger sich allzu leicht dem Fortschritt entgegen stellen können. Ob der Verzicht auf das Eintragungserfordernis  in der Praxis negative Auswirkungen haben wird, ist schwer abzuschätzen. Das Prinzip, wonach im Recht der Körperschaften Satzungsänderungen der konstitutiven Eintragung in einem Register bedürfen, will sicherstellen, dass sich aktuelle Mitglied und zukünftige Mitglieder (das Wesen der Körperschaften besteht darin, dass sie auf Fluktuation ausgerichtet ist) rechtssicher über den maßgeblichen Stand der „wichtigsten Spielregeln“ informieren können. Kann die Verfassung wie im Fall des § 32 Abs. 2 Satz 2 BGB n.F. außerhalb des Registers geändert werden, ist das nicht gewährleistet. Um den Schutz zukünftiger Mitglieder wird man sich zwar weniger Sorgen machen müssen. Die Vorstellung, dass diese sich vor ihrem Beitritt durch Blick in die Registerakte über die Verfassung  informieren, dürfte ohnehin kaum der Realität entsprechen. Nicht ganz unberechtigt erscheint aber die Sorge, dass es zukünftig in dem einen oder anderen Verein einmal zum Streit darüber kommt, ob ein Beschluss im Sinne des § 32 Abs. 2 Satz 2 BGB n.F. gefasst bzw. im Wege des actus contarius wieder kassiert wurde. Denn eine rechtssichere Dokumentation einfacher Beschlüsse findet nicht statt.

 

20. Oktober 2022

EU-Kommission veröffentlicht rechtsvergleichende Studie zum Vereinsrecht

- von Wiss. Mit. Tim Wöffen, LL.M -

Die EU-Kommission hat am 29.9.2022 eine englischsprachige, rechtsvergleichende Studie zum Vereinsrecht der 27 Mitgliedstaaten veröffentlicht. Sie hat insgesamt 387 Seiten. Die Studie teilt sich in eine einleitende, vergleichende Zusammenfassung (66 Seiten) gefolgt von 27 Länderberichten. Verglichen werden u.a. die unterschiedlichen Vereins-Definitionen, die Rechtsquellen, die Gründungs- und Registrierungsvoraussetzungen einschließlich deren Kosten, Aspekte der Rechtspersönlichkeit, Definitionen der „Gemeinnützigkeit“ (public interest), Zulässigkeit wirtschaftlicher Aktivitäten, Organe, staatliche Aufsicht, Rechenschafts- und Transparenzpflichten, Einkünfte und Vermögensverwaltung, Auflösung und Liquidation, Entscheidungsbefugnisse bei wesentlichen Entscheidungen sowie die steuerliche Behandlung der Vereine. Hinzu kommen rechtstatsächliche Informationen, u.a. über die Zahl der Vereine in den Mitgliedstaaten, die Zahl der Vereinsmitglieder, die Arten der Aktivitäten der Vereine, deren Einkünfte, deren Anteil am Bruttoinlandsprodukt, das Verhältnis von freiwilliger (unentgeltlicher) gegenüber entgeltlicher Arbeit sowie über die grenzüberschreitenden Aktivitäten der Vereine: https://op.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/21adb612-42cb-11ed-92ed-01aa75ed71a1

[Nachtrag vom 6. Dezember 2022: Die Studie weist offenbar in einigen Länderberichten (u.a. Italien, Deutschland) Fehler auf, so dass die Kommission Nachbesserungen in Auftrag gegeben hat.]

 

 

12. September 2022

Abrufe aus dem Vereinsregister kostenfrei

- von Wiss. Mit. Tim Wöffen, LL.M --

Seit dem 1.8.2022 ist der Abruf der Inhalte der Handels-, Genossenschafts-, Vereins- und Partnerschaftsregister kostenfrei, wie es das Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie vorsieht. Registrierung und Login sind nicht mehr erforderlich. Dabei sind im Vereinsregister meist lediglich die Registerauszüge verfügbar, nur selten ist auch eine Satzung elektronisch hinterlegt. Anders ist es beim Handelsregister, in dem für die dort registrierten Handels- und Kapitalgesellschaften u.a. der Gesellschaftsvertrag bzw. die Satzung abrufbar ist. Dies liegt an § 12 HGB, wonach Anmeldungen und die Einreichung von Dokumenten zum Handelsregister zwingend elektronisch erfolgen. Beim Vereinsregister ist jedoch eine Anmeldung und die Einreichung von Dokumenten in Papierform nach wie vor möglich. In Papierform übermittelte Satzungen werden vom Vereinsregister nicht eingescannt. Vereine sollten sich daher überlegen, ob sie nicht künftig von der Möglichkeit der elektronischen Einreichung über einen Notar Gebrauch machen wollen, damit die Satzung sodann online auch im Vereinsregister abrufbar ist.

 

Auf europäischer Ebene ist die Registerlage für Vereine übrigens weiterhin unbefriedigend: Zwar gibt es ein Europäisches Unternehmensregister für Handels- und Kapitalgesellschaften (im Wege der Registervernetzung), ein Register für Europäische Parteien und ein Register für Europäische Politische Stiftungen, ein Europäisches Vereinsregister fehlt hingegen.

 

 

 

5. August 2022

Öffentliche Konsultation der Kommission zu grenzüberschreitenden Tätigkeiten von Vereinen

- von Wiss. Mit. Tim Wöffen, LL.M --

Sowohl kleine Vereine als auch große Verbände sind aufgerufen, sich an der öffentlichen Konsultation zu beteiligen, die voraussichtlich Mitte August 2022 beginnen wird.

 

Die Kommission hatte in einem Brief vom 11.5.2022 auf den Lagodinsky-Bericht vom 16.2.2022 geantwortet. Während der (erneute) Vorschlag zur Schaffung einer supranationalen Rechtsform des Europäischen Vereins nicht aufgegriffen wurde, soll der Vorschlag einer NPO-Mindeststandardrichtlinie teilweise umgesetzt werden. Die Binnenmarktfreiheiten der nationalen Non-Profit-Organisationen und die Vereinigungsfreiheit sollen geschützt und die gegenseitige Anerkennung bestimmter nationaler NPO-Rechtsformen vereinfacht werden. Der Richtlinienvorschlag der Kommission wird für das zweite Quartal 2023 erwartet. Vorbereitend wird zudem eine vergleichende Studie der NPO-Rechtsformen aller 27 Mitgliedsstaaten durchgeführt. Die Kommission will zudem einen Leitfaden zur Behandlung grenzüberschreitender Spenden sowie zum Grundsatz der Nichtdiskriminierung von NPOs erarbeiten.

 

 

22. Juni 2022

Bedarf die statutarische Einführung einer rein virtuellen Mitgliederversammlung der Zustimmung sämtlicher Mitglieder?

- von Prof. Dr. Lars Leuschner -

Der Freistaat Bayern hat den Vorschlag gemacht, dass Vereine unabhängig von einer Satzungsregelung zukünftig Mitgliedern die Möglichkeit einräumen können, virtuell an einer Mitgliederversammlung teilzunehmen (siehe Eintrag vom 12. Mai 2022). Hierbei soll es sich aber nur um eine für die Mitglieder zusätzliche Option handeln, d.h. diese können auch weiterhin auf die Durchfürhung einer Präsenzveranstaltung bestehen. Realistischer Weise ermöglicht dies Vereinen daher nur die Möglichkeit einer hybriden, nicht aber einer rein virtuellen Mitgliederversammlung. Das mag in manchen Fällen eine gute Lösung sein. Für viele Vereine wird aber der mit einer hybriden Mitgliederversammlung verbundene organisatorische und finanzielle Aufwand unverhältnismäßig groß sein.

 

Vor dem beschriebenen Hintergrund stellt sich die Frage, ob sich die Möglichkeit einer rein virtuellen Mitgliederversammlung in der Satzung verankern lässt. Angesichts der weitreichenden vereinsrechtlichen Satzungsfreiheit (§ 40 S. 1 BGB) ist sie zu bejahen. Einige Stimmen in der Literatur vertreten jedoch die Auffassung, für die Einführung einer entsprechenden Satzungsklausel genüge nicht die satzungsändernde Mehrheit, sondern es bedürfte eines einstimmigen Beschlusses der Mitgliederversammlung (Schmaus npoR 2022, 131, 132; Staudinger/Schwennicke § 32 Rn. 49; kritisch auch Stöber/Otto Rn. 789; Beck RNotZ 2014, 160, 168). Zur Begründung wird – ersichtlich in Parallele zu der dem Erfordernis der Allzustimmung unterworfenen Zweckänderung – angeführt, das in der Vergangenheit dem Verein beigetretene Mitglied müsse nicht damit rechnen, dass es zur Ausübung der Mitgliedschaft „technischer Ausrüstung und Fähigkeiten“ bedarf (Schmaus npoR 2022, 131, 132; ähnlich mit Blick auf die Hauptversammlung Beck RNotZ 2014, 160, 168). Ein andere Argumentation lautet, die rein virtuelle Abhaltung greife in die Mitgliedschaftsrechte „derjenigen Mitglieder ein, denen eine elektronische Teilnahme aus tatsächlichen oder technischen Gründen nicht möglich ist, und berührt damit den Kernbereich des Mitgliedschaftsrechts“ (Staudinger/Schwennicke § 32 Rn. 49; ähnlich Stöber/Otto Rn. 789: eventuell Verstoß gegen Treupflicht).

 

Diesem Standpunkt, der die Einführung einer rein virtuellen Mitgliederversammlung bei größeren Vereinen faktisch unmöglich macht, ist zu widersprechen. Zwar lässt sich nicht bestreiten, dass sich insbesondere manche ältere Menschen damit schwer tun werden, virtuell an einer Versammlung teilzunehmen. Den Übergang zu einer rein virtuellen Versammlung jedoch qualitativ einer Zweckänderung oder dem Ausschluss des Teilnahmerechts gleichzustellen und damit dem Mehrheitsprinzip zu entziehen, geht zu weit. Manchmal hilft es sich zu vergegenwärtigen, dass die scheinbar so neuartig und einzigartigen Herausforderungen der Digitalisierung den altbekannten Herausforderungen der analogen Welt doch recht ähnlich sind: Man stelle sich vor, ein Verein verlegt seine jährliche Mitgliederversammlung aus Kostengründen in den nicht mehr fußläufig erreichbaren Nachbarort. Auch das kann dazu führen, dass einzelne Mitglieder, die über kein Auto verfügen, ohne fremde Hilfe nicht mehr an der Mitgliederversammlung teilnehmen können. Würde man hier auf die Idee kommen, von einem Eingriff in den Kernbereich der Mitgliedschaft, einem Verstoß gegen die Treuepflicht oder gar einem einer Zweckänderung vergleichbaren Vorgang zu sprechen? Wohl kaum. Der Blick in die Kommentare zeigt vielmehr, dass sofern nicht beachtliche Teile der Mitgliedschaft betroffen sind oder der Ortswechsel missbräuchlich ist, eine entsprechende Veränderung vom einberufenden Vorstand im Alleingang beschlossen werden kann (statt vieler BeckOGK/Notz, § 32 Rn. 59; für die Aktiengesellschaft etwa Kölner KommAktG/Noack/Zetzsche § 121 Rn. 182). Erst recht würde man es hiernach als zulässig erachten, wenn der Wechsel des Versammlungsortes mit satzungsändernder Mehrheit beschlossen würde. Dass für die mit der Digitalisierung verbundenen Schwierigkeiten gänzlich andere Maßstäbe gelten sollen, will nicht einleuchten. Auch die Einführung einer rein virtuellen Mitgliederversammlung muss daher mit satzungsändernder Mehrheit möglich sein. Das von der Gegenauffassung propagierte Erfordernis der Allzustimmung, wonach jedem einzelnen Mitglied ein Vetorecht zustünde, wäre in höchstem Maße innovationsfeindlich.

 

10. Juni 2022

Spendenaufruf! - Ukraine-Hilfe Osnabrück – Krakau – Ternopil e.V.

Der Krieg in der Ukraine befindet sich in einer entscheidenden Phase. Die unter ihm leidenden Flüchtlinge, Vertriebenen, Kriegsopfer, Kriegshinterbliebenen und Kriegsbeschädigten brauchen unsere Unterstützung dringender denn je!

 

Der gemeinnützige Verein „Ukrainer-Hilfe Osnabrück – Krakau – Ternopil e.V.“ organisiert und finanziert Hilfslieferungen in die Ukraine. Er basiert auf einem Netzwerk von Professoren der Universitäten Osnabrück (Deutschland), Krakau (Polen) und Ternopil (Ukraine). Zentraler Ansprechpartner in der Ukraine ist Prof. Serhii Banakh, der Dekan der juristischen Fakultät der Universität Ternopil und Offizier der Reserve. Er übermittelt den konkreten Hilfsbedarf und sorgt selbst in der Ukraine für die Verteilung der Hilfsgüter. Die engen persönlichen Beziehungen zwischen den Handelnden in Deutschland, Polen und der Ukraine ermöglichen es, äußerst bedarfsgerecht und sehr kurzfristig Hilfe zu leisten. Bereits in den ersten Kriegswochen ist es gelungen, umfangreiche Hilfslieferungen zu organisieren, die neben medizinischen Gütern (Schmerzmittel, Verbandstoffe usw.), Kleidung (Handschuhe usw.), technischen Geräten (Taschenlampen, Powerbanks usw.) auch einen Kleinbus umfassten. Letzterer dient dazu, Waren von Ternopil in der Westukraine in die Ostukraine zu transportieren sowie in die entgegengesetzte Richtung Flüchtlinge zu befördern.

 

Gründungsmitglieder des Vereins sind unter anderem die Osnabrücker Jura-Professoren Dr. Dr. h.c. Fryderyk Zoll und Dr. Lars Leuschner. Prof. Zoll ist zugleich Professor der Jagiellonen-Universität in Krakau sowie Honorarprofessor der westukrainischen Universität Ternopil.

 

Geldspenden für weitere Hilfslieferungen in die Ukraine sind sehr willkommen:

 

Ukraine-Hilfe Osnabrück – Krakau – Ternopil e.V.

Sparkasse Osnabrück

IBAN DE32 2655 0105 1552 2824 67

 

Gerne stellen wir Spendenbescheinigungen aus (falls erwünscht, bitte Postanschrift beim Verwendungszweck angeben). Für weitere Auskünfte wenden Sie sich bitte an Prof. Dr. Lars Leuschner (lars.leuschner@uos.de).

 

 

20. Mai 2022

Das OLG Stuttgart hat es verstanden! - Zur Eintragungsfähigkeit eines Dorfladens

OLG Stuttgart, Beschluss vom 11. Januar 2022 – 8 W 233/21 –, juris

- von Prof. Dr. Lars Leuschner -

Das OLG Stuttgart hat den Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart, mit dem dieses einem Dorfladen die Eintragung im Vereinsregister verweigert hat, aufgehoben. Zutreffend befanden die Richter des OLG, dass es sich entgegen der Auffassung des Amtsgerichts bei dem Verein um keinen wirtschaftlichen Verein handelt. Zur Begründung verwiesen sie auf die „Kita-Rechtsprechung“ des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 2017, 1943) wonach eine wirtschaftliche Betätigung eintragungsunschädlich ist, sofern und solange sie zur Verfolgung des ideellen Vereinszwecks eingesetzt wird. Der Umfang der wirtschaftlichen Tätigkeit sei dabei irrelevant. Richtig erkannt haben die Richter auch, dass der mit dem entgeltlichen Anbieten von Leistungen verbundene Vermögenszufluss der Eintragungsfähigkeit nicht entgegensteht. Ausschlaggebend für die Nichtwirtschaftlichkeit sei vielmehr, dass die erwirtschafteten Mittel nicht an die Mitglieder ausgeschüttet, sondern für den Vereinszweck verwendet werden. Dies zeige, dass die wirtschaftliche Betätigung dem ideellen Zweck, „einer auf diversen Ebenen nachhaltig gestalteten – dem sozialen Miteinander dienenden und fördernden – dörflichen Versorgungsform“, untergeordnet sei. Bemerkenswert und zu begrüßen ist, dass die Frage der Gemeinnützigkeit in der Entscheidungsbegründung überhaupt nicht thematisiert wird.

 

Die gegenläufige, die fehlende Eintragungsfähigkeit einer Dorfkneipe behauptende Entscheidung des OLG Celle vom 6. Oktober 2021 (NJW 2022, 555 = npoR 2022, 140) war den Richtern des OLG Stuttgart bekannt. Dies belegt der Hinweis auf sie im Zusammenhang mit der Feststellung, auch ein (noch) nicht eingetragener Verein sei beschwerdebefugt. Dass die Richter des OLG Stuttgart die Ausführungen ihrer norddeutschen Kollegen im Übrigen für nicht erwähnenswert hielten, ist nachvollziehbar und sollte diesen zu denken geben.

 

12. Mai 2022

Entwurf eines Gesetzes zur Ermöglichung digitaler Mitgliederversammlungen im Vereinsrecht

- von Prof. Dr. Lars Leuschner -

Der Freistaat Bayern hat einen Gesetzesantrag in den Bundesrat eingebracht, wonach es Vereinen zukünftig (dauerhaft) möglich sein soll, auch ohne entsprechende Satzungsregelung Mitgliederversammlungen im Wege der elektronischen Kommunikation durchzuführen (Entwurf). Die Änderung soll am 1. September 2022 in Kraft treten und die pandemiebedingte Sonderregelung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 COVMG ersetzen, welche zum 31. August 2022 außer Kraft tritt. Konkret vorgeschlagen wird, § 32 BGB um folgenden Absatz 1a zu ergänzen:

 

"(1a) Der Vorstand kann auch ohne Ermächtigung in der Satzung vorsehen, dass Vereinsmitglieder an der Mitgliederversammlung ohne Anwesenheit am Versammlungsort teilnehmen und Mitgliederrechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können."

 

Eine Abweichung vom bisherigen § 5 Abs. 2 Nr. 1 Hs. 2 COVMG beinhaltet der Vorschlag insoweit, als die Worte „oder müssen“ gestrichen wurden. Dadurch soll klargestellt werden, dass Mitgliedern, die die virtuelle Teilnahme ablehnen, die Möglichkeit der präsenten Teilnahme eröffnet bleiben muss. Im Ergebnis bedeutet das: Sofern nicht alle Mitglieder der rein virtuellen Mitgliederversammlung zustimmen, ist lediglich eine sog. hybride Versammlung möglich, bei der sich ein Teil der Mitglieder in Präsenz am Veranstaltungsort zusammenfindet, während andere Mitglieder virtuell teilnehmen.

 

Der Vorschlag ist zu begrüßen. Ein ersatzloses Auslaufenlassen des § 5 Abs. 2 Nr. 1 COVMG hätte zur Folge, dass viele Vereine, die sich an die Vorzüge der virtuellen Versammlung gewöhnt haben, für die Zeit nach dem 31. August 2022 eine  Satzungsgrundlage schaffen müssten. Der damit (auch für die Registergerichte) verbundene Aufwand erscheint unnötig und sollte vermieden werden. Dass sich der Entwurf der Sache nach auf die Ermöglichung einer hybriden Versammlung beschränkt, mag auf den ersten Blick etwas halbherzig wirken. Tatsächlich dürfte die Einschränkung aber wohl auf der berechtigten Annahme beruhen, dass eine weitergehende Regelung politisch schwer durchzusetzen wäre. Sie erscheint insoweit verschmerzbar, als es Vereinen, die auch zukünftig rein virtuelle Mitgliederversammlung durchführen wollten, unbenommen bleibt, hierfür durch entsprechende Satzungsänderung eine Grundlage zu schaffen. Da hierfür gemäß § 33 Abs. 1 Satz1 BGB die Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen genügt, lässt sich dies auch gegen eine (kleine) Minderheit durchsetzen.

 

8. April 2022

Einspruch gegen Spielwertung aufgrund vereinsrechtlicher Treuepflicht geboten?

- von Prof. Dr. Lars Leuschner -

Der SC Freiburg hat seinen Einspruch gegen die Wertung des mit 1:4 gegen den FC Bayern München verlorenen Spiels, bei dem es in der Schlussphase zu einem Wechselfehler der Münchner kam, mit der vereinsrechtlichen Treuepflicht begründet. Diese verpflichte die Verantwortlichen dazu, für den Verein sowohl in wirtschaftlicher als auch in sportlicher Hinsicht das Bestmögliche herauszuholen. Das Unterlassen des Einspruchs hätte nach Auffassung des Vereins sogar dazu führen können, dass einzelne Vorstandsmitglieder persönlich haften (https://www.kicker.de/streich-ein-absolutes-unding-so-an-den-pranger-gestellt-zu-werden-897404/artikel).

Eine interessante These, die bei näherer Betrachtung aber kaum zu überzeugen vermag. Richtig ist, dass es auch beim Verein eine Treuepflicht gibt. Nicht nur der Vereinsmitglieder, sondern auch bzw. erst recht der Mitglieder des Vorstandes. Aber der offensichtlich aus dem Kapitalgesellschaftsrecht übertragene Schluss, diese verpflichte die Adressaten dazu, den finanziellen oder zumindest sportlichen Gewinn zu maximieren, greift zu kurz. Die Argumentation übersieht, dass der Inhalt der Treuepflicht durch den Zweck der jeweiligen Organisation determiniert wird. Und unabhängig davon, dass rein faktisch möglicherweise etwas anders gelebt wird, ist primärer Zweck des SC Freiburg die Förderung des „Sports“ im Sinne von § 52 Abs. 2 Nr. 21 Abgabenordnung. Gemeint ist damit nicht der Profisport (welcher von der Abgabenordnung lediglich als Nebenzweck geduldet wird, vgl. § 58 Nr. 8 AO), sondern „die körperliche Ertüchtigung durch Leibesübungen“. Dass deren Förderung die Verantwortlichen dazu zwingen soll einen (unter dem Gesichtspunkt des Fairplay nicht ganz zweifelsfreien) Einspruch einzulegen, will kaum einleuchten.

Etwas anderes könnte allenfalls gelten, wenn man die Profifußball-Abteilung des SC Freiburg als sog. Mittelbeschaffungsbetrieb ansehen wollte, dessen einzige Aufgabe darin besteht, finanzielle Mittel für den vereinseigenen Amateursport zu erwirtschaften. Bei einer solchen Sichtweise wären die Verantwortlichen wohl in der Tat dazu verpflichtet alles zu tun, was am Ende dazu führen mag, dass durch die Qualifikation für die Champions League hohe Einnahmen erzielt werden. Eine entsprechende Sichtweise hätte indes eine entscheidende Konsequenz: Sie würde die Verantwortlichen auch dazu zwingen, die die Profimannschaft betreffenden Entscheidungen ausschließlich am Ziel der finanziellen (!) Gewinnmaximierung auszurichten. Der treffsichere Topstürmer, der Garant für den sportlichen Erfolg und Liebling der Fans ist, müsste hiernach auch ohne finanzielle Not verkauft werden, wenn sich auf diese Weise mittelfristig höhere Einnahmen erzielen lassen. Auch müsste man beispielsweise darüber nachdenken, ob es nicht von Rechts wegen geboten ist, mehr Stehplätze durch lukrative Businesslogen zu ersetzen.

Kurzum: Natürlich kann man einen solchen Einspruch einlegen. Unter dem Aspekt des Fairplay mag er vertretbar sein. Nur sollte man sich dabei nicht hinter einer angeblichen Rechtspflicht verstecken.

 

 

Mehrheit des Europaparlaments für ein Europäisches Vereinsstatut und NPO-Mindeststandardrichtlinie

- von Wiss. Mit. Tim Wöffen, LL.M -

 

17. Februar 2022

Der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments hat am 19. Januar 2022 einen Bericht an die Kommission verfasst (Berichterstatter: Dr. iur. Sergey Lagodinsky, A9-0007/2022), in dem unter anderem zwei neue Entwürfe enthalten sind für

  • eine Verordnung für ein Statut des Europäischen Vereins (auf Grundlage von Art. 352 AEUV) und
  • eine Richtlinie für gemeinsame Mindeststandards für Organisationen ohne Erwerbszweck in der Union („NPO-Mindeststandardrichtlinie“ auf Grundlage von Art. 114 AEUV).

Außerdem wird die Kommission darin aufgefordert, eine vergleichende Analyse der Non-Profit-Organisationsformen in der Union vorzunehmen (Ziffer 11 des Berichts). Das Plenum in Straßbourg hat am 16. Februar 2022 mit großer Mehrheit von 530 Ja-Stimmen (gegenüber 146 Nein-Stimmen und 15 Enthaltungen) dem Bericht zugestimmt.

Neben dem Bericht ist auch eine Videoaufzeichnung der Debatte im Parlament vom Dienstag, 15. Februar 2022 online verfügbar.

 

 

10. Dezember 2021

Der „Ausrutscher“ des OLG Celle - Zum Beschluss des OLG Celle, v. 6.10.2021 - 9 W 99/21, ZIP 2021, 2485

- von Prof. Dr. Lars Leuschner -

Im vorangegangenen Blogeintrag vom 20. September 2021 habe ich davon berichtet, dass einer niedersächsischen Dorfkneipe die Eintragung im Vereinsregister verwehrt wurde. Zugleich sprach ich von einer Chance, dass das OLG Celle nunmehr im Beschwerdeverfahren die Dinge zurechtrücken und klarstellen könnte, dass auf Grundlage der durch die Kita-Rechtsprechung des BGH erfolgten Neuausrichtung der Vereinsklassenabgrenzung auch Initiativen wie die streitgegenständliche eintragungsfähig sind.

 

Denkste! Das OLG Celle hat in einem in vielerlei Hinsicht bemerkenswerten Beschluss die Auffassung des Registergerichts bestätigt und die Eintragungsfähigkeit der Dorfkneipe verneint (OLG Celle, vom 6. Oktober 2021 - 9 W 99/21, ZIP 2021, 2485). Bei einer Gastwirtschaft, die „hauptsächlich dem Konsum von (alkoholischen und nicht alkoholischen) Getränken dient“, handele es sich geradezu um den „Paradefall eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs i.S. des § 22 BGB.“ Weil der Verein nicht gemeinnützig ist, ging der Senat davon aus, sich mit seiner Entscheidung auf Grundlage der Kita-Rechtsprechung zu bewegen bzw. sich zumindest nicht damit in Widerspruch zu setzen.

 

Wenn man den Beschluss des OLG Celle etwas Positives abgewinnen möchte, dann den Umstand, dass die Richter sehr schnell entschieden haben: Zwischen dem Eingang der Beschwerdebegründung vom 21. September 2021 und der Entscheidung vom 6. Oktober 2021 lagen gerade einmal zwei Wochen. Damit sind wir dann aber auch schon beim Problem: Grund für die rekordverdächtige Bearbeitungszeit dürfte weniger der besondere Fleiß der Richter als vielmehr ihr „methodischer“ Ansatz gewesen sein, eine Entscheidung zu treffen, ohne sich mit der zugrunde liegenden Rechtsfrage auch nur im Ansatz ernsthaft auseinanderzusetzen. Dass der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, obwohl der Beschluss im Widerspruch zur ganz herrschenden Lehre sowie dem explizit geäußerten Willen des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages steht, passt insoweit ins Bild: Weil das FamFG keine Nichtzulassungsbeschwerde vorsieht, können die Richter damit rechnen, die Angelegenheit gewissermaßen per „kurzem Prozess“ ein für alle Mal erledigt zu haben.

 

Weil ich als Prozessbevollmächtigter des streitgegenständlichen Vereins befangen bin, möchte ich an dieser Stelle zunächst auf einen aktuellen Besprechungsaufsatz von Rainer Hüttemann aus der ZIP 2021, 2524 verweisen. Dieser bezeichnet die  Entscheidung als „Ausrutscher“, der weder im Ergebnis noch in der „für ein Obergericht unangenehm oberflächlichen Argumentation“ überzeugen könne (a.a.O S. 2526). Der Beschluss lasse den „mit dem Vereinsrecht vertrauten Leser ratlos zurück, da eine vertiefte inhaltliche Auseinandersetzung mit der neueren BGH-Rechtsprechung und Literatur fehlt“ (a.a.O S. 2525). Die Ausführungen des Senats zeigten deutlich, dass er die „zentrale Aussage der Kita-Beschlüsse übersehen hat.“ Ebenso hätten die Richter übersehen, „dass der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages in seinem Bericht und seiner Beschlussempfehlung zum ‚Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung unternehmerischer Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement und zum Bürokratieabbau bei Genossenschaften‘ vom 28.6.2017 ausdrücklich das genaue Gegenteil vertreten hat“ (a.a.O S. 2525).

 

Ich war selbst Richter und bin der Meinung, dass dieser Berufsstand höchsten Respekt verdient. Aber vor berechtigter Kritik schützt das nicht. Und so muss ich in aller Deutlichkeit sagen: Die Entscheidung des OLG Celle ist ein Schlag in das Gesicht all derjenigen, die sich mit Leidenschaft für die Entwicklung des Rechts im Allgemeinen sowie das Vereinsrecht im besonderen engagieren (ich selbst nehme das für mich in Anspruch, habe ich mich doch seinerzeit u.a. als Experte im Rechtsausschuss vehement für die erwähnte Positionierung eingesetzt). Dabei geht es nicht um das Ergebnis (bis zu den Kita-Beschlüssen des BGH im Jahr 2017 entsprach die Qualifikation einer Dorfkneipe als Wirtschaftsverein der ganz herrschenden Meinung), sondern die in der Entscheidungsbegründung zum Ausdruck kommende tadelnswerte  Kenntnislosigkeit: Wie der Senat für die Entscheidung zentrale Aspekte übersehen konnte, obwohl ihm diese in der nicht übermäßig umfangreichen und bewusst auch für den flüchtigen Leser konzipierten Beschwerdeschrift „auf dem Silbertablett“ gereicht wurden, erschließt sich mir nicht. Das gilt vor allem für die erwähnte, in höchstem Maße einschlägige Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, die in der Beschwerdeschrift im Wortlaut unter Hervorhebung der einschlägigen Aussagen abgedruckt war.

 

Gegen die Entscheidung des OLG Celle ist die Verfassungsbeschwerde eingelegt worden. Nach den Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts, wonach das Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt ist, wenn das Beschwerdegericht das Rechtsmittel nicht zugelassen hat, obwohl die Zulassung objektiv nahelag und keine die Nichtzulassung rechtfertigenden Gründe zu erkennen sind, erscheinen die Erfolgsaussichten nicht eben gering (so auch Hüttemann ZIP 2021, 2524, 2526). Da die Karlsruher Richter gerade in Corona-Zeiten extrem belastet sind und möglicherweise über wichtigere Dinge als die Eintragungsfähigkeit von Dorfkneipen zu entscheiden haben, dürften die Chancen der Celler Richter, mit ihrem „methodischen“ Ansatz ungeschoren davonzukommen, gleichwohl größer sein.

 

 

20. September 2021

Die Dorfwirtschaft ist kein Wirtschaftsverein!

Über vier Jahre ist es nun her, dass der BGH mit seinen Kita-Beschlüssen (u.a. BGH NJW 2017, 1943) die über Jahrzehnte herrschende – von den Registergerichten freilich selten konsequent angewandte – teleologisch-typologische Vereinsklassenabgrenzung durch einen neuen, deutlich liberaleren Ansatz abgelöst hat. Maßgeblich ist hiernach nicht mehr, ob und in welchem Umfang sich ein Verein wirtschaftlich betätigt. Für die Qualifikation als nichtwirtschaftlicher und somit eintragungsfähiger Verein im Sinne des § 21 BGB genüge es, dass der Vereinszweck nicht darauf gerichtet ist, zugunsten seiner Mitglieder Gewinn zu erwirtschaften.

 

Eine im Anschluss an die BGH-Beschlüsse offene Frage war, ob die skizzierten Grundsätze für alle Vereine gelten oder nur für solche, die als gemeinnützig im Sinne der §§ 51 ff. AO anerkannt sind. Letztere Sichtweise lag deshalb nicht ganz fern, weil die streitgegenständlichen Kita-Vereine gemeinnützig waren und der BGH diesem Umstand in seiner Entscheidungsbegründung erhebliche Bedeutung beigemessen hat. Die Frage wurde in den Tagen nach der Entscheidungsverkündung vor allem deshalb heiß diskutiert, weil dem Bundestag zu dieser Zeit der „Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung unternehmerischer Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement und zum Bürokratieabbau bei Genossenschaften“ (BT-Drs. 18/11506) vorlag. Dieser beinhaltete eine Änderung des § 22 BGB, wonach bestimmte – in der Regel nicht gemeinnützige – Initiativen wie u.a. Dorfläden der Weg in die Rechtform des konzessionierten Wirtschaftsvereins geebnet werden sollte. Da entsprechende Vereinigungen typischerweise ihren Zweck unmittelbar durch einen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs verfolgen (Zweckbetrieb), ging der Entwurf (zu Recht) davon aus, dass ihnen auf Grundlage der bis dahin maßgeblichen teleologisch-typologischen Vereinsklassenabgrenzung der Weg in die Vereinsregister versperrt ist. Sollte nun aber die Kita-Rechtsprechung auch auf nicht gemeinnützige Vereine Anwendung finden, wäre diese Sichtweise überholt und die geplante Änderung des § 22 BGB überflüssig.

 

Der Bundestag machte sich auf Empfehlung des Rechtsausschusses letztere Sichtweise zu Eigen und verzichtete in der Folge auf die Änderung von § 22 BGB. In der Beschlussempfehlung heißt es (BT-Drs. 18/12998, S. 19):

 

„Nach Auffassung des Ausschusses können aber auch regelmäßig nicht als gemeinnützig anerkannte Initiativen wie z. B. Dorfläden, soweit sie einen ideellen Hauptzweck verfolgen und nicht gewinnorientiert und auf Ausschüttung von Gewinnen gerichtet sind, als Idealverein eingetragen werden.“

Der aktuelle Fall eines niedersächsischen Vereins, der zum Zweck des „Förderung des sozialen Miteinanders, der Begegnung von Menschen und dem Kampf gegen Vereinsamung“ eine Dorfgaststätte betreiben möchte, zeigt, dass diese eindeutige Aussage offenbar nicht bei allen Registergerichten angekommen ist. Ungeachtet entsprechender Hinweise beharrte der zuständige Rechtspfleger auf der Einschätzung, ein Verein, dessen Hauptaktivität das Betreiben einer Gaststätte ist, sei nicht eintragungsfähig. Für den Verein und das betroffene Dorf ist diese Ignoranz bitter, führt sie doch dazu, dass der Beginn eines ganz und gar lobenswerten Projektes unter Umständen erheblich verzögert wird. Für die Rechtsentwicklung bietet der Fall immerhin die Chance, dass nunmehr das OLG Celle im Beschwerdeverfahren eine Entscheidung fällt, die bewirkt, dass vergleichbaren Initiativen zukünftig solche Schwierigkeiten erspart bleiben.

 

12. September 2021

Verlängerung der Corona-Sonderregelungen bis August 2022

Am 7.9.2021 hat der Bundestag das Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie bis Ende August 2022 verlängert. Für Vereine bedeutet dies u.a., dass Mitgliederversammlungen auch weiterhin digital oder hybrid abgehalten werden können.

 

20. Juli 2021

Aufgabe der Ultra-Vires-Lehre mit einem Haken (BGH, Urt. v. 15.04.2021 - III ZR 139/20)

- von Tim Wöffen -

 

Die Vertretungsmacht unterliegt keiner automatischen Beschränkung durch den Vereins- bzw. Stiftungszweck. Damit hat sich der BGH in der o.g. Entscheidung explizit von der Ultra-Vires-Lehre verabschiedet und sich der überwiegenden Literatur angeschlossen. Soweit so gut.

 

Abgesehen davon, so urteilten die Richter allerdings weiter, ist es gemäß § 26 Abs. 1 S. 3 BGB zulässig, durch eine ausdrückliche Satzungsregelung die Vertretungsmacht auf den Zweck zu beschränken. Ist dieser Zweck gemeinnützig, so umfasst die Beschränkung auch die Gemeinnützigkeit (!). Für gemeinnützigkeitsschädliche Rechtsgeschäfte besteht dann keine Vertretungsmacht. Im zugrundeliegenden Fall lautete die Satzungsregelung einer Stiftung: „Der Vorstand ist in seiner Vertretungsmacht durch den Zweck der Stiftung beschränkt.“ Dabei kam in der Satzung hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass diese Beschränkung nach außen wirken soll. Problematisch ist aber, dass das Gericht auch die inhaltliche Bestimmtheit der Beschränkung als gegeben ansah. Im dem zu entscheidenden Fall widersprach ein Lizenzvertrag den Voraussetzungen (§§ 51 ff AO) des gemeinnützigen Stiftungszwecks, so dass der BGH die Vertretungsmacht und somit das Zustandekommen des Vertrags ablehnte.

 

Unklar ist, wie viele Vereine und Stiftungen überhaupt von einer solchen Zweck-Beschränkung der Vertretungsmacht in ihren Satzungen Gebrauch machen. Existiert eine entsprechende Klausel, ist dem Verkehrsschutz auf Grundlage der BGH-Entscheidung jedenfalls ein Bärendienst erwiesen. Denn „ein Blick in die Satzung“ reicht dann nicht mehr. Das Abschlussrisiko wird dem Vertragspartner aufgebürdet, welcher –  ohne vertiefte steuerrechtliche Prüfung  – nicht beurteilen kann, ob ein Rechtsgeschäft der Gemeinnützigkeit des Gegenübers schadet. Der Verweis auf die persönliche Haftung des Vorstands im Falle fehlender Vertretungsmacht gem. § 179 Abs. 1 BGB wird den Vertragspartner kaum zufriedenstellen. Vereine und Stiftungen werden wohl auch im eigenen Interesse für klarere Verhältnisse sorgen wollen und andere Beschränkungen (z.B. summenmäßige) der Kaffeesatzleserei vorziehen. Bei Vereinen ist zudem das Eintragungserfordernis gem. § 64 BGB zu beachten (und für Stiftungen künftig nach § 82b Abs. 2 S. 2 BGB-E). An die Bestimmtheit von Einschränkungen gemäß § 26 Abs. 1 S. 3 BGB – eine Vorschrift die in Österreich und der Schweiz kein Pendant findet (vgl. Segna in BeckOGK § 26 BGB Rn. 30.2) – sollten nach Aufgabe der Ultra-Vires-Lehre künftig höhere Anforderungen gestellt werden, nicht niedrigere (vgl. Leuschner in MüKo § 26 BGB Rn. 33).

 

 

30. Mai 2021

Mitgliederversammlung verschieben wegen Corona?

Prof. Leuschner hat auf der Seite www.blankenese.de ein Interview zur Problematik rund um die Abhaltung und Einberufung von Mitgliedeversammlungen während der Corona-Krise gegeben: "Kein Freibrief für Vereinsvorstände".

 

 

8. März 2021

Anhebung der Vergütungsgrenze der §§ 31a, 31 b BGB auf 840 EUR

Der Bundestag hat am 4. März 2021 die Anhebung der Vergütungsgrenze der §§ 31a, 31 b BGB von 720 EUR auf 840 EUR beschlossen. Der Gesetzgeber reagiert damit auf die entsprechende Anhebung der sogenannten Ehrenamtspauschale in § 3 Nr. 26a EStG. Zur Begründung der Anpassung wird auf den Wertungsgleichlauf zwischen dem Steuer- und dem Vereins- bzw. Stiftungsrecht verwiesen. Wörtlich heißt es (BT-Drucks. 19/27274, S. 128): „Mitglieder von Vereins- und Stiftungsorganen sowie Vereinsmitglieder sollten nicht auf die Haftungsprivilegien nach den §§ 31a und 31b verzichten müssen,  weil ihnen für ihre Tätigkeit für den Verein oder die Stiftung eine geringfügige jährliche Vergütung gewährt wird, die nach § 3 Nummer 26a Satz 1 EStG steuerfrei ist". Die Änderung der §§ 31a, 31 b BGB tritt mit der Verkündung des Änderungsgesetzes in Kraft (Art. 12 Abs. 5).

 

Nachtrag: Die Änderung ist am 6. April 2021 in Kraft getreten (BGBl. I Nr. 14 v. 06.04.2021, S. 604, 647).

 

 

 

4. Februar 2021

Was darf eine Wahlkommission?

Viele Großvereine sehen in ihren Satzungen eine Wahlkommission vor (Synonym: „Wahlausschuss“ oder auch „Wahlvorstand“), die in die Vorbereitung und Durchführung der Vorstands- und/oder Aufsichtsratswahlen eingebunden ist. Die jüngeren Ereignisse rund um die Mitgliederversammlung des 1. FSV Mainz 05  zeigen, dass bezüglich der Frage, wie weit die Befugnisse einer solchen Kommission reichen, im Einzelfall erhebliche Unsicherheit bestehen kann (siehe u.a. FAZ vom 3.2.2021). Präjudizen gibt hierzu soweit ersichtlich keine. Auch in der vereinsrechtlichen Literatur wird die Problematik nicht diskutiert.

 

Die typische Funktion einer Wahlkommission besteht darin, die Mitgliederversammlung, das kraft Gesetz oberste Willensbildungsorgan des Vereins, im Zusammenhang mit Wahlen zu unterstützen. Um eine neutrale, von der Einflussnahme der bisherigen Organmitglieder unabhängige Wahl sicherzustellen, werden entsprechende Kommissionen zum Beispiel damit betraut, den Wahlgang zu leiten, die Stimmen auszuzählen und das Wahlergebnis zu verkünden. Häufig erstrecken sich die Aufgaben der Wahlkommission aber auch auf die Vorbereitung der Mitgliederversammlung. So besteht typischerweise eine Zuständigkeit dafür zu überprüfen, ob die Kandidaten*innen bestimmte formale Kriterien erfüllen (fristwahrende Bewerbung, Vereinsmitgliedschaft usw.). Darüber hinaus kann es Aufgabe der Wahlkommission sein zu verhindern, dass die Mitgliederversammlung mit einer übermäßigen Anzahl von Kandidaten*innen um die zu besetzenden Posten überflutet wird. Das ist sinnvoll, da die Mitglieder realistischerweise nur in der Lage sind, sich mit einer begrenzten Anzahl von Kandidaten*innen inhaltlich auseinanderzusetzen und andernfalls eine befriedigende Willensbildung innerhalb der Mitgliederversammlung kaum möglich wäre. Besteht ein entsprechender Auftrag, impliziert das, dass die Wahlkommission zur Reduktion des Kandidaten*innen-Kreises über die formale Vorauswahl auch eine Vorauswahl anhand materieller Kriterien vornehmen darf und muss. In der Regel wird sich dabei ihr Auswahlermessen aber auf ein notwendiges Minimum beschränken. Zwar wäre es rechtlich möglich, der Wahlkommission eine stärkere Stellung einzuräumen und ihr zu erlauben, die Wahlentscheidung der Mitgliederversammlung partiell oder sogar ganz vorwegzunehmen. Denn anerkanntermaßen kann in der Satzung die kraft Gesetz (§ 27 Abs. 1 BGB) der Mitgliederversammlung zugewiesene Kompetenz zur Bestellung des Vorstandes sogar vollständig auf ein anderes Organ übertragen werden (u.a. MüKoBGB/Leuschner, 8. Aufl. 2018, BGB § 27 Rn. 18). Der typischen, der Mitgliederversammlung gegenüber dienenden Funktion einer Wahlkommission entspricht das aber gerade nicht.

 

Bei der Auslegung der im Einzelfall einschlägigen Satzungsbestimmungen sind die vorangegangen Überlegungen zu berücksichtigen: Lässt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Satzung erkennen, dass es sich um eine typische Wahlkommission handelt, die die Mitgliederversammlung bei deren Willensbildung nur unterstützen soll, ist dem bei der Interpretation einzelner Regelungen Rechnung zu tragen. Befugnisse der Wahlkommission, die die der Mitgliederversammlung einschränken, sind dann auf das notwendige Minimum zu reduzieren. Eine Satzungsbestimmung, wonach die Wahlkommission „bis zu 16 der zu wählenden Mitglieder Kandidaten für den Aufsichtsrat vorschlagen kann“, ist vor diesem Hintergrund so zu verstehen, dass die Kommission zu einer Selektion anhand materieller Kriterien erst und nur insoweit (!) ermächtigt ist, als die Anzahl (der unter formellen Gesichtspunkten zu berücksichtigenden) Kandidaten*innen die Zahl von 16 überschreitet. Die – unter semantischen Gesichtspunkten – denkbare gegenteilige Interpretation, wonach es der Wahlkommission möglich sein soll, den Kandidaten*innen-Kreis im Rahmen einer materiellen Vorauswahl auf weniger als 16 zu reduzieren, würde demgegenüber einen erheblichen Eingriff in die Befugnisse der Mitgliederversammlung bewirken und stünde damit im Widerspruch zu dem der Wahlkommission vom Satzungsgeber zugedachten Funktion. Verdeutlichen lässt sich dies anhand einer einfachen Überlegung: Sieht die Satzung vor, dass der Aufsichtsrat aus mindestens fünf und maximal acht Mitgliedern besteht, könnte die Wahlkommission ansonsten den Kandidaten*innen-Kreis im Extremfall bis auf fünf reduzieren. Auf diese Weise würde sie der Mitgliederversammlung sowohl die Entscheidung über die Größe als auch über die Besetzung des Aufsichtsrats abnehmen. Die Mitgliederversammlung wäre zu einem bloßen Vollzugsorgan degradiert.

 

Im Rahmen der Satzungsgestaltung sollte versucht werden, etwaige Zweifelsfragen von vornherein durch präzise Formulierungen zu minimieren. Empfehlenswert ist eine einleitende Klarstellung, dass Aufgabe der Wahlkommission die Unterstützung der Mitgliederversammlung ist. Ferner sollte klar definiert werden, ab dem Überschreiten welcher Anzahl von Kandidaten*innen, in welchem quantitativen Umfang und unter Zugrundelegung welcher materiellen Kriterien eine Vorauswahl durch die Wahlkommission zu erfolgen hat. Schließlich kann es zweckmäßig sein zu regeln, dass amtierende Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder, die erneut zur Wahl antreten, von einer etwaigen Vorauswahl der Wahlkommission ausgenommen und nicht auf die maximale Anzahl der vorzuschlagenden Kandidaten*innen anzurechnen sind. Durch eine solche Regelung wird jeder Anschein vermieden, dass Funktionsträger möglicherweise „undemokratisch“, d.h. ohne Einbeziehung der Mitgliederversammlung aus dem Amt gedrängt werden. Hinzu kommt, dass die entsprechenden Kandidaten*innen den Mitgliedern in der Regel bereits bekannt sind und daher die Komplexität der zu treffenden Entscheidung nicht signifikant erhöhen.

 

21. Januar 2021

Zahlungen nach Insolvenzreife erlaubt!

Im Jahr 2010 hat der Bundesgerichtshof in zwei Beschlüssen entschieden, dass die für Kapitalgesellschaften und die Genossenschaft in den § 64 S. 1 GmbHG, § 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG iVm § 92 Abs. 2 S. 1 AktG und § 34 Abs. 3 Nr. 4 GenG iVm § 99 S. 1 GenG (a.F.) vorgesehene Haftung für masseschmälernde Zahlungen auf den Verein keine analoge Anwendung findet (BGH NZG 2010, 625; NZG 2010, 711). Dem zugrunde lag die Überlegung, dass es mit Blick auf die normtypische Ehrenamtlichkeit der Vereinsvorstände unangemessen wäre, diese einer derart scharfen Haftung auszusetzen (K. Schmidt NZG 2015, 129: „haftungsrechtlicher Kampfhund“). Davon zu unterscheiden war jedoch die Frage, ob das der Haftung zugrundeliegende Zahlungsverbot für die Vorstandsmitglieder des Vereins gilt. Da auch die Gläubiger von Vereinen auf das Vereinsvermögen angewiesen sind, sprach unter systematischen Gesichtspunkten viel dafür, die Frage zu bejahen (ausführlich Leuschner ZHR 175 (2011), 787, 800 ff.). Verbotswidrige Zahlungen hätten hiernach zu einer Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB führen können. Diese ist im Vergleich zu der Haftung aufgrund der §§ 64 S. 1 GmbHG usw. deutlich „sanfter“, da sie nicht eine uneingeschränkte Pflicht zur Erstattung sämtlicher Zahlungen erfasst, sondern die Ersatzpflicht an den Eintritt eines Gesamtgläubigerschadens knüpft.

 

Aufgrund der am 1.1.2021 in Kraft getretenen Änderungen durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) ist die Rechtslage nunmehr aber eine andere. Die spezialgesetzlichen Verbots- und Haftungstatbestände des Kapitalgesellschafts- und Genossenschaftsrechts wurden gestrichen und rechtsformunabhängig in § 15b InsO zusammengeführt. Dabei wird der Adressatenkreis des in § 15b Abs. 1 S. 1 InsO enthaltenen Zahlungsverbots unter Hinweis auf die „in § 15a Absatz 1 Satz 1 genannten Mitglieder des Vertretungsorgans und Abwickler einer juristischen Person“ bestimmt. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 19/24181, S. 194) soll dadurch der Anwendungsbereich des Zahlungsverbots auf diejenigen Rechtsformen beschränkt werden, für die auch die Insolvenzantragspflicht gemäß § 15 Abs. 1 InsO gilt. Der Verein ist hiervon gemäß § 15a Abs. 7 InsO ausgenommen. Angesichts dieser (mehr oder minder) bewussten Entscheidung des Gesetzgebers muss man davon ausgehen, dass den Organmitgliedern von Vereinen masseschmälernde Zahlungen nach Insolvenzeintritt erlaubt sind. Eine auf § 823 Abs. 2 BGB gestützte Haftung wegen solcher Zahlungen scheidet folglich aus (unberührt bleibt eine mögliche Haftung wegen Insolvenzverschleppung).

 

Rechtspolitisch ist diese Lösung Zweifeln ausgesetzt. Ungeachtet aller Sympathie für die Privilegierung der überwiegend ehrenamtlich tätigen Vereinsvorstände erscheint die Zulässigkeit masseschmälernder Zahlungen mit den Interessen der auf das Vereinsvermögen angewiesen Gläubiger kaum vereinbar. Sie bedeutet nicht nur, dass zukünftig Vereinsvorstände einzelne Gläubiger in der Phase zwischen Insolvenzeintritt und Eröffnung des Insolvenzverfahrens beliebig bevorzugen können (die Regelungen über die Insolvenzanfechtung kompensieren das nur partiell). Darüber hinaus ist es den Vereinsvorständen auch möglich, den Vereinszweck in diesem Zeitraum unverändert fortzuführen. Gerade im Fall von Vereinen, die zur Zweckverfolgung einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalten, erscheint dies sehr problematisch.

 

18. Dezember 2020

Corona und Vereinsrecht: Änderungen und Ergänzungen von § 5 COVMG

Gestern hat der Bundestag Änderungen und Ergänzungen des § 5 COVMG (Gesetz über Maßnahmen im Gesellschaftsrecht u.a. zur Bekämpfung der COVID19-Pandemie) beschlossen (zum Beschlusstext, zur Begründung). Gemäß Art. 14 Abs. 3 des Änderungsgesetzes treten sie zwei Monate nach Verkündigung des Gesetzes in Kraft. Unterstellt, dass die Verkündung im Bundesgesetzblatt noch in diesem Monat erfolgt, gelten die Neuregelungen somit spätestens ab 1. März 2021. (Aktualisierung vom 31.12.2020: Das Gesetz wurde am 30.12.2020 im Bundesgesetzblatt verkündet und tritt demnach am 28.2.2021 in Kraft).

 

1. Änderung von § 5 Abs. 2 COVMG

Der neue § 5 Abs. 2 COVMG lautet wie folgt:

 

(2) Abweichend von § 32 Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kann der Vorstand auch ohne Ermächtigungen in der Satzung vorsehen, dass Vereinsmitglieder

1. an der Mitgliederversammlung ohne Anwesenheit am Versammlungsort teilnehmen, und Mitgliederrechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können oder müssen,

2. ohne Teilnahme an der Mitgliederversammlung ihre Stimmen vor der Durchführung der Mitgliederversammlung schriftlich abgeben können.

 

Durch die etwas eigentümliche Neuformulierung ("oder müssen") soll klargestellt werden, dass auch eine rein virtuelle Mitgliederversammlung möglich ist, d.h. Mitglieder ausschließlich auf die Möglichkeit der elektronischen Kommunikation verwiesen werden können. Offenbar gab es Stimmen, die den bisherigen Wortlaut dahingehend interpretiert haben, dass nur eine sog. hybride Versammlung möglich ist, d.h. neben der virtuellen Teilnahme stets auch die Möglichkeit einer physischen Teilnahme eröffnet werden muss.

 

2. Einfügung von § 5 Abs. 2a COVMG

Neu eingefügt wird der nachfolgende § 5 Abs. 2a COVMG:

 

(2a) Abweichend von § 36 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist der Vorstand nicht verpflichtet, die in der Satzung vorgesehene ordentliche Mitgliederversammlung einzuberufen, solange die Mitglieder sich nicht an einem Ort versammeln dürfen und die Durchführung der Mitgliedersammlung im Wege der elektronischen Kommunikation für den Verein oder die Vereinsmitglieder nicht zumutbar ist.

 

Viele Vereine, die aufgrund ihrer Satzung zur Durchführung einer turnusmäßigen Mitgliederversammlung verpflichtet gewesen wären, diese pandemiebedingt aber nicht in Präsenz durchführen konnten, haben sich davor gescheut, eine virtuelle Versammlung einzuberufen. Ob dies angesichts der vom Gesetzgeber geschaffenen Möglichkeit, eine virtuelle Versammlung auch ohne Satzungsgrundlage durchzuführen, rechtens ist, war bisher zumindest zweifelhaft (siehe auch Eintrag auf dieser Seite vom 1. Mai 2020). Die Änderung legitimiert ein solches Vorgehen ausdrücklich, sofern eine virtuelle Versammlung für den Verein oder seine Mitglieder "unzumutbar" ist. In den Materialien wird in diesem Zusammenhang auf die für die Durchführung einer virtuellen Versammlung unter Umständen unzureichenden Ressourcen des Vereins sowie die Altersstruktur der Mitglieder verwiesen.

 

3. Einfügung von § 5 Abs. 3a COVMG

Neu eingefügt wird auch der folgende § 5 Abs. 3a COVMG:

 

(3a) Die Absätze 2 und 3 gelten auch für den Vorstand von Vereinen und Stiftungen sowie für andere Vereins- und Stiftungsorgane.

 

Durch diese Regelung wird festgelegt, dass die für die Mitgliederversammlung geschaffenen Erleichterungen (virtuelle Versammlung, schriftliche Stimmabgabe im Vorfeld der Versammlung, Beschlussfassung ohne Versammlung) auch für andere Organe von Vereinen und Stiftungen, d.h. insbesondere den Vorstand gelten. Ob dies schon de lege lata der Fall ist, ist streitig (siehe Eintrag vom 23. März 2020 auf dieser Seite einerseits sowie Segna npoR 2020, 148, 152 f. andererseits).

 

25. November 2020

Zur richtigen Bestimmung und Ladung von Delegierten – echte oder unechte Delegiertenversammlung? – Zum Beschluss des OLG Celle vom 2.9.2019 - 20W17/19

Ein (nicht veröffentlichter) Beschluss des OLG Celle vom 2.9.2019 (20W17/19) beschäftigt nach wie vor viele Verbände. In ihm weist das Gericht die Beschwerde eines Kreisschützenverbandes gegen die Zurückweisung eines Antrags auf Eintragung einer Satzungsänderung zurück. Das Registergericht hatte die Zurückweisung damit begründet, der dem Antrag zu Grunde liegende Beschluss der Delegiertenversammlung sei unwirksam, weil Teile der Delegierten nicht ordnungsgemäß bestimmt und auch nicht innerhalb der in der Satzung vorgesehenen Frist geladen worden seien. Tatsächlich fand zumindest in einigen der Untergliederungen bzw. Mitgliedsvereinen keine Wahl der Delegierten statt, sondern diese entsandten jeweils ihren 1. oder 2. Vorsitzenden. Ferner erfolgte die Ladung zur Delegiertenversammlung offenbar nicht gegenüber den Delegierten selbst, sondern gegenüber den zuständigen Untergliederungen bzw. Mitgliedsvereinen. Das OLG Celle bestätigte die Auffassung des Registergerichts, wonach die von der Delegiertenversammlung gefassten Beschlüsse als nichtig zu qualifizieren sind. Die Delegierten seien vorliegend nicht ordnungsgemäß bestimmt gewesen, weil die Zuständigkeit für ihre Auswahl grundsätzlich bei der Mitgliederversammlung liege. Auch die Ladung sei mangelhaft gewesen, da es nicht auf den Zugang bei den „Mitgliedsvereinen“, sondern bei den Delegierten ankomme.

 

Inwieweit diese Erwägungen zutreffen, lässt sich ohne genau Kenntnis der Organisationsstruktur des betroffenen Verbandes nicht mit letzter Sicherheit beurteilen. Der Sache nach betrifft der Beschluss die nicht ganz einfache Unterscheidung zwischen der „echten“ und der „unechten“ Delegiertenversammlung (instruktiv BeckOGK/Notz BGB § 32 Rn. 262 ff.). Die „unechte“ Delegiertenversammlung ist in Wahrheit keine Delegiertenversammlung, sondern wird lediglich als solche bezeichnet. Man trifft sie vor allem in Vereinsverbänden an, welche dadurch gekennzeichnet sind, dass die für die Entsendung von „Delegierten“ zuständigen Vereine ihrerseits Mitglieder im Vereinsverband sind. Das Stimmrecht in der „Delegiertenversammlung“ steht somit in Wahrheit nicht irgendwelchen Delegierten, sondern den Mitgliedsvereinen selbst zu. Diese müssen folglich keine Delegierten wählen, sondern lediglich einen Stimmrechtsvertreter (gesetzlicher Vertreter oder Bevollmächtigter) in die „Delegiertenversammlung“ entsenden. Der Mitgliedsverein und nicht der Stimmrechtsvertreter ist in der Konsequenz richtiger Adressat der Einladung zur „Delegiertenversammlung“.

 

Bei der dem Beschluss des OLG Celle zugrunde liegenden Delegiertenversammlung handelte es sich aber wohl um eine „echte“ Delegiertenversammlung. Darauf deutet insbesondere hin, dass der betroffene Kreisschützenverband offenbar als Gesamtverein organisiert ist, d.h. die jeweiligen Untergliederungen ungeachtet ihrer Bezeichnung als „Mitgliedsvereine“ gar nicht Mitglieder des Verbandes sind. Folglich steht das Stimmrecht auch nicht ihnen, sondern ausschließlich den zu bestimmenden Delegierten zu. Für die Wahl der Delegierten sind in einer solchen Konstellation grundsätzlich sämtliche Mitglieder des Gesamtvereins zuständig, d.h. die Mitglieder der Untergliederungen, welche aufgrund der insoweit typischen gestuften Mehrfachmitgliedschaft zugleich Mitglieder im Hauptverein sind. Zulässig und üblich sind allerdings auch Regelungen, wonach nicht sämtliche Mitglieder alle Delegierten wählen, sondern sich die in den Untergliederung zusammengefassten Mitglieder darauf beschränken, einen gewissen Teil der Delegierten zu bestimmen (so offenbar auch im Fall des streitgegenständlichen Kreisschützenverbandes). Es bleibt aber auch in dieser Konstellation dabei, dass das es sich bei Delegierten um „echte“ Delegierte und keine bloßen Stimmrechtsvertreter der Untergliederung handelt. Folglich müssen sie in den Untergliederungen auch tatsächlich gewählt und anschließend persönlich zur Delegiertenversammlung geladen werden.

 

Für Verbände gilt es hiernach sorgfältig zu prüfen, ob es sich bei ihrer Delegiertenversammlung um eine "echte" oder eine "unechte" Delegiertenversammlung handelt. In den meisten Fällen dürfte Ersteres der Fall sein. In der Konsequenz bedeutet dies, dass dafür Sorge getragen werden muss, dass die Delegierten in den Untergliederungen von Mitgliedern gewählt und nicht von Funktionären bestimmt werden. Zudem ist sicherzustellen, dass die Ergebnisse der Delegiertenwahlen einschließlich der erforderlichen Daten dem Hauptverein rechtzeitig übermittelt werden, damit dieser die Delegierten ordnungsgemäß laden kann. In vielen Fällen wird es zweckmäßig sein, das entsprechende Prozedere in den jeweiligen Satzungen festzulegen bzw. zu konkretisieren.

 

16. Oktober 2020

Verordnung zur Verlängerung von Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beschlossen

Die Bundesregierung hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, per Rechtsverordnung die Geltung des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie bis zum 31. Dezember 2021 zu verlängert (zur Meldung der Bundesregierung). Für Vereine besteht hiernach u.a. die Möglichkeit fort, unabhängig von einer entsprechenden Satzungsgrundlage eine virtuelle Mitgliederversammlung abzuhalten (siehe im Einzelnen Meldungen unten vom 23. und  27. März 2020).

 

1. Mai 2020

Aussetzung der Pflicht zur Einberufung einer Mitgliederversammlung während der COVID-19-Pandemie?

Sieht die Satzung zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb eines bestimmten Zeitraumes die Abhaltung einer Mitgliederversammlung vor, begründet dies gemäß § 36, 1. Alt. BGB eine Einberufungspflicht des Vorstandes. Dass während der COVID-19-Pandemie die Abhaltung von Präsenzversammlungen vielfach nicht möglich ist, rechtfertigt als solches nicht, die Einberufung aufzuschieben oder Mitgliederversammlungen ganz entfallen zu lassen. Schließlich hat der Gesetzgeber in § 5 Abs. 2 Covid19-G die Möglichkeit geschaffen, virtuelle Mitgliederversammlungen durchzuführen.

 

Ist die Durchführung einer virtuellen Mitgliederversammlung indes nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich, erscheint in Ausnahmefällen eine Aussetzung der Einberufungspflicht denkbar. Stützen lässt sich dies auf die entsprechende Anwendung der Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313). Die in Folge der COVID-19-Pandemie eingetretenen Schwierigkeiten bei der Abhaltung von Präsenzversammlungen stellen eine schwerwiegende Änderung von Umständen dar, die die Beteiligten bei der Fassung entsprechender Satzungsklauseln nicht vorhergesehen haben. Die Möglichkeit, virtuelle Mitgliederversammlungen durchzuführen, dürfte nicht in allen Fällen geeignet sein, das zu kompensieren. Eine entsprechende Vorstellung liegt auch § 5 Abs. 3 Covid19-G zugrunde, der die Beschlussfassung im schriftlichen Verfahren und somit unabhängig von einer Mitgliederversammlung erleichtert. Ausweislich der Äußerung des mit der Formulierung des Gesetzes betrauten Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz wurde die Regelung mit Blick auf „kleine Vereine [getroffen], die nicht über die technischen Mittel oder das technische Know-how verfügen, um Mitgliederversammlungen im Internet durchzuführen" (siehe "Fragen und Antworten zur Handlungsfähigkeit für Vereine und Stiftungen während der Corona-Krise" vom 23. März 2020, Frage 5). Besteht hiernach für die Vereine die Möglichkeit, die meisten  Entscheidungen ohne Mitgliederversammlung zu treffen, erschiene es nicht gerechtfertigt, aufgrund einer die aktuellen Umstände nicht antizipierenden Satzungsklausel eine Verpflichtung zur Abhaltung einer Mitgliederversammlung anzunehmen, die unabhängig vom tatsächlichen Bedarf eingreift.

 

Die Aussetzung der Einberufungspflicht wird allerdings nur auf Grundlage einer umfassenden Abwägung und bei kumulativem Vorliegen der nachfolgenden Voraussetzungen in Betracht kommen: (1) Eine Präsenzversammlung ist wegen der COVID-19-Pandemie unzulässig bzw. unter Berücksichtigung der Mitgliederstruktur mit zu hohen Risiken bzw. unverhältnismäßigem Aufwand verbunden, (2) die Durchführung einer virtuellen Mitgliederversammlung ist unter Berücksichtigung der Mitgliederstruktur mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden, (3) es stehen keine unaufschiebbaren  Entscheidungen an, die nicht im Umlaufverfahren getroffen werden können, (4) die Amtszeit aller Vorstandsmitglieder besteht unabhängig von § 5 Abs. 1 Covid19-G oder einer vergleichbaren Satzungsbestimmung bis zur nächsten Mitgliederversammlung fort bzw. wird im Umlaufverfahren verlängert und (5) der Vorstand sorgt anderweitig für die hinreichende Information der Mitglieder.

 

 

14. April 2020

BMF-Schreiben vom 9. April 2020

Das Ministerium der Finanzen hat mit Datum vom 9. April 2020 unter der Überschrift „Steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Hilfe für von der Corona-Krise Betroffene“ eine Reihe von für Vereine relevante Verwaltungsregelungen veröffentlicht.

 

 

27. März 2020

Corona und Vereinsrecht (Teil 3)

Das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht ist mit der heutigen Zustimmung des Bundesrates in Kraft getreten. Für Vereine gelten hiernach die in Art. 2 § 5 vorgesehenen Erleichterungen, die insbesondere die Möglichkeit einer virtuellen Beschlussfassung umfassen (siehe dazu den Eintrag "Corona und Vereinsrecht (Teil 2)" vom 23. März 2020).  Aufgrund der besonderen Gesetzestechnik handelt es sich bei Art. 2 § 5 um lex specialis, das Geltungsvorrang vor den Regelungen des BGB hat (insbesondere § 32 BGB).

 

Für Vereine dürfte damit ein rechtsicherer Rahmen für den Umgang mit der Corona-Krise geschaffen worden sein. Sollte sich in der vereins- oder auch stiftungsrechtliche Praxis gleichwohl weiterer Änderungsbedarf herausstellen, können entsprechende Anregungen gerne unter info@vereinsrechtstag.de platziert werden, um diese anschließend an die politischen Entscheidungsträger weiterleiten zu können. Auf den ersten Blick nicht ganz einsichtig ist etwa, weshalb § 5 Abs. 2 Nr. 2 die Schriftform verlangt, während Abs. 3 die Textform genügen lässt. Ebenso wäre es wünschenswert gewesen, wenn die Erleichterungen des § 5 Abs. 2 und 3 nicht nur für die Beschlussfassung der Mitgliederversammlung, sondern auch die des mehrgliedrigen Vereinsvorstandes sowie die entsprechenden Organe einer Stiftung gelten würden.

 

 

23. März 2020

Corona und Vereinsrecht (Teil 2)

Die Bundesregierung hat eine "Formulierungshilfe" eines Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vorgelegt, welches voraussichtlich diese Woche noch verabschiedet wird. Art. 2 § 5 des Gesetzes sieht auch Änderungen des Vereins- bzw. Stiftungsrechts vor:

 

§ 5 Vereine und Stiftungen

(1) Ein Vorstandsmitglied eines Vereins oder einer Stiftung bleibt auch nach Ablauf seiner Amtszeit bis zu seiner Abberufung oder bis zur Bestellung seines Nachfolgers im Amt.

(2) Abweichend von § 32 Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kann der Vorstand auch ohne Ermächtigung in der Satzung Vereinsmitgliedern ermöglichen,

1. an der Mitgliederversammlung ohne Anwesenheit am Versammlungsort teilzunehmen und Mitgliederrechte im Wege der elektronischen Kommunikation auszuüben oder

2. ohne Teilnahme an der Mitgliederversammlung ihre Stimmen vor der Durchführung der Mitgliederversammlung schriftlich abzugeben.

 

(3) Abweichend von § 32 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist ein Beschluss ohne Versammlung der Mitglieder gültig, wenn alle Mitglieder beteiligt wurden, bis zu dem vom Verein gesetzten Termin mindestens die Hälfte der Mitglieder ihre Stimmen in Textform abgegeben haben und der Beschluss mit der erforderlichen Mehrheit gefasst wurde.

 

Die Gesetzesänderung, deren Wirkung zunächst bis zum 31.12.2021 beschränkt sein soll, bewirkt Folgendes:

 

1. Automatische Verlängerung der Amtszeit

Abs. 1 bewirkt, dass Vorstandsmitglieder auch nach Ablauf ihrer Amtszeit zunächst im Amt bleiben, d.h. eine Wieder- oder Neubestellung nicht zwingend erforderlich ist, um die Handlungsfähigkeit des Vereins (bzw. der Stiftung) aufrecht zu erhalten.

 

2. Beschlussfassung aufgrund virtueller Versammlung (Modifikation von § 32 Abs. 1 BGB)

Gemäß Abs. 2 Nr. 1 steht nunmehr fest, dass eine virtuelle Versammlung der Präsenzversammlung gleichgestellt ist und folglich in ihr wirksame Beschlüsse gefasst werden können. Die virtuelle Versammlung bedarf hiernach weder einer Satzungsgrundlage noch der Zustimmung sämtlicher Mitglieder.

 

3. „Gemischte“ Beschlussfassung

Zusätzlich wird es durch Abs. 2  Nr. 2 möglich, dass einzelne Mitglieder ihre Stimmen im Vorfeld einer (virtuellen oder physischen) Versammlung schriftlich (zB per Fax) abgeben.

 

4. Beschlussfassung ohne Versammlung im Umlaufverfahren (Modifikation von § 32 Abs. 2 BGB)

Schließlich erleichtert es Abs. 3 durch die Modifikation der Anforderungen des § 32 Abs. 2 BGB, Beschlüsse ohne jede Form der Versammlung im Umlaufverfahren zu fassen. Eine Beschlussfassung im Umlaufverfahren ist hiernach wirksam, wenn (i) alle Mitglieder beteiligt werden und (ii) bis zum Ende der gesetzten Entscheidungsfrist mindestens die Hälfte von ihnen in Textform (E-Mail, SMS, WhatsApp usw.) an der Abstimmung teilgenommen hat.

 

5. Keine entsprechende Geltung von § 5 Abs. 2 und 3 für Vorstandsbeschlüsse und die Stiftung

Aufgrund der Verweisungen in den §§ 28, 86 S. 1 BGB hat es auf den ersten Blick den Anschein, als würden die Erleichterungen des § 5 Abs. 2 und Abs. 3 auch für die Beschlüsse des mehrgliedrigen Vereinsvorstandes sowie die Beschlüsse entsprechender Organe bei der Stiftung gelten. Dem ist aber in Anbetracht der besonderen Regelungstechnik des Gesetzes wohl nicht so: Denn die Regelungen in § 5 Abs. 2 und Abs. 3 ändern nicht § 32 BGB, sondern schaffen lediglich eine in ihrem Anwendungsbereich auf Beschlüsse der Mitgliederversammlung beschränkte (und zeitlich begrenzte) Sonderregelung. § 32 BGB als solches bleibt unverändert und in der Folge ändert sich auch die Rechtslage für den mehrgliedrigen Vereinsvorstand sowie die entsprechenden Stiftungsorgane nicht (Anmerkung: Die ursprünglich an dieser Stelle vertretene Auffassung wurde korrigiert).

 

 

17. März 2020

Corona und Vereinsrecht (Teil 1)

Angesichts der Maßnahmen zur Verzögerung der Ausbreitung des Corona-Virus stellt sich die Frage, in welchem Umfang in Vereinen Beschlüsse der Mitgliederversammlung oder des Vorstandes ohne physische Zusammenkunft gefasst werden können. Die nachfolgenden Ausführungen sollen einen ersten Überblick über die insoweit zu beachtenden rechtlichen Rahmenbedingungen sowie den einschlägigen Meinungsstand geben.

 

I. Beschlussfassung der Mitgliederversammlung

1. Beschlussfassung mit schriftlicher Allzustimmung ohne Versammlung

Gemäß § 32 Abs. 2 BGB ist eine Beschlussfassung der Mitglieder auch ohne Mitgliederversammlung zulässig, wenn alle Mitglieder ihre Zustimmung zu dem Beschluss schriftlich erklären. „Schriftlich“ meint dabei die Schriftform i.S.d. § 126 BGB sowie die elektronische Form nach § 126a BGB und umfasst somit nach überwiegender Auffassung u.a. die Erklärung per Fax, nicht aber die per E-Mail (vgl. Staudinger/Schwennicke § 32 Rn. 161). Handelt es sich um einen Beschluss, der beim Vereinsregister einzureichen ist (siehe auch unter IV.), ist darauf zu achten, dass ein Protokoll angefertigt wird, in dem das Umlaufverfahren und sein Ergebnis skizziert werden.

 

2. Beschlussfassung aufgrund virtueller Versammlung

a) Bei entsprechender Satzungsgrundlage

Nach wohl einhelliger Meinung ist die Beschlussfassung im Rahmen einer virtuellen Mitgliederversammlung möglich, wenn die Satzung dies ausdrücklich zulässt (OLG Hamm NJW 2012, 940 mwN; Dehesselles/Richter npoR 2016, 246; 248 ff.; Noack NJW 2018, 1345, 1349 f.; Palandt/Ellenberger § 32 Rn. 1; BeckOGK/Notz BGB § 32 Rn. 294). In diesen Fällen erfolgt die Beschlussfassung nicht gemäß § 32 Abs. 2 BGB, sodass auch die darin enthaltenen Voraussetzungen (Allzustimmung und Schriftform) nicht erfüllt werden müssen.

 

b) Ohne entsprechender Satzungsgrundlage bei Allzustimmung

Da die meisten Vereine aber über keine entsprechende Satzungsgrundlage verfügen, stellt sich die Frage, ob auch ohne sie eine virtuelle Versammlung zulässig ist. Die wohl herrschende Lehre bejaht dies für den Fall, dass sämtliche Mitglieder dem Verfahren zustimmen (BeckOGK/Notz BGB § 32 Rn. 294; BeckOK BGB/Schöpflin BGB § 32 Rn. 45; NK-BGB/Heidel/Lochner Rn. 26; Palandt/Ellenberger Rn. 1; ablehnend Stöber/Otto VereinsR-HdB Rn. 638). Gestützt wird diese Auffassung auf eine Analogie zu § 32 Abs. 2 BGB, dem sich der allgemeine Gedanke entnehmen lässt, dass mit Zustimmung aller Mitglieder von dem an sich erforderlichen Verfahren abgewichen werden kann (vgl. BeckOGK/Segna BGB § 28 Rn. 10). Dabei ist zu beachten, dass sich das Erfordernis der Allzustimmung richtigerweise nur auf die Abhaltung der virtuellen Versammlung als solche, nicht den einzelnen Beschlussgegenstand bezieht. Haben dem Verfahren alle Mitglieder zugestimmt, können in der Folge auch bloße Mehrheitsbeschlüsse wirksam gefasst werden (a.A. für Vorstandsbeschlüsse Wagner in Reichert/Schimke/Dauernheim Vereins- und VerbandsR-HdB Kap. 2 Rn. 2535 f.). Legt man diese Auffassung zugrunde, handelt es sich im Ergebnis um eine Beschlussfassung mit Versammlung und somit keinen unmittelbaren Anwendungsfall des § 32 Abs. 2 BGB. Hieraus folgt neben der Möglichkeit von Mehrheitsbeschlüssen (s.o.) auch, dass die Allzustimmung zum Verfahren nicht der Schriftform bedarf.

 

c) Ohne entsprechende Satzungsgrundlage und ohne Allzustimmung

Problematisch ist, ob eine virtuelle Versammlung auch ohne Satzungsgrundlage und ohne Ad-hoc-Allzustimmung der Mitglieder möglich ist. In der Literatur mehren sich die Stimmen, die dies für zulässig halten (Piper NZG 2012, 735, 737; Noack NJW 2018, 1345, 1349 f.; wohl auch BeckOGK/Notz BGB § 32 Rn. 294). Hierfür spricht, dass es keinen zwingenden Grund gibt, nur die traditionelle physische Zusammenkunft als „Versammlung“ im Sinne von § 32 Abs. 1 BGB zu qualifizieren. Ist gewährleistet, dass alle Mitglieder in gleicher Weise Zugang zu der virtuellen Versammlung haben, sprechen gute Gründe dafür, sie der physischen Zusammenkunft gleichzustellen und als Versammlung im Sinne von § 32 Abs. 1 zu qualifizieren. Die wohl noch herrschende Meinung sieht dies jedoch anders und  hält eine virtuelle Mitgliederversammlung unter den genannten Voraussetzungen für unzulässig (Fleck DNotZ 2008, 245; Dehesselles/Richter npoR 2016, 246, 248; NK-BGB/Lochner Rn. 28; MHdB GesR V/Waldner § 29 Rn. 24; Stöber/Otto VereinsR-HdB Rn. 638).

 

II. Beschlussfassung des Vorstandes

Die für Beschlussfassung der Mitgliederversammlung skizzierten Grundsätze gelten aufgrund des Verweises in § 28 BGB für Vorstandsbeschlüsse entsprechend. Insbesondere ist analog der zuvor unter I.2.b. dargelegten Grundsätze die virtuelle Beschlussfassung ohne Satzungsgrundlage und ohne Einhaltung der Schriftform zulässig, wenn alle Vorstandsmitglieder dem Verfahren zustimmen (BeckOGK/Segna BGB § 28 Rn. 10; Staudinger/Schwennicke, 2019, Rn. 12; Wagner in Reichert/Schimke/Dauernheim Vereins- und VerbandsR-HdB Kap. 2 Rn. 2535).

 

III.  Anforderungen an die virtuelle Versammlung

Zum Abhalten einer virtuellen Versammlung kommen alle modernen Kommunikationsmittel wie Chat-Rooms, Bildschirmübertragung aber auch das Telefon in Betracht.  Für die ordnungsgemäße Einberufung ist erforderlich, dass den Mitgliedern alle erforderlichen Zugangs- oder Einwahldaten samt Passwort rechtzeitig mitgeteilt werden. Ferner ist darauf zu achten, dass der Empfang zum Versammlungszeitraum uneingeschränkt und ohne Unterbrechungen in Ton und ggf. auch Bild gegeben ist.

 

IV. Fazit

Da die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Beschlussfassung ohne körperliche Zusammenkunft zum Teil unklar sind, bedarf es im Einzelfall einer Risikoanalyse. Stimmen alle Vereins- bzw. Vorstandsmitglieder dem Verfahren zu, dürften die verbleibenden Risiken hinnehmbar sein. Zwar ist es denkbar, dass ein Mitglied seine Meinung ändert und später gegen einen entsprechenden Beschluss vorgeht. In diesen Fällen gilt es indes immer noch zu beachten, dass die Klageerhebung nicht endlos möglich ist, sondern nach Verstreichen eines längeren Zeitraums Verwirkung eintritt (näher BeckOGK/Notz BGB § 32 Rn. 244; Wagner in Reichert/Schimke/Dauernheim Vereins- und VerbandsR-HdB Kap. 2 Rn. 3124 ff.). Problematisch sind die rechtlichen Unsicherheiten, wenn in Umsetzung des Beschlusses eine deklaratorische (z.B. Vorstandsbestellung) oder im Fall der Satzungsänderung konstitutive Eintragung im Vereinsregister erforderlich ist. In diesen Fällen dürfte es sich empfehlen, erforderlichenfalls vorab das Gespräch mit dem zuständigen Registergericht zu suchen.

 

 

1. März 2019

Attac-Urteil des BFH zur politischen Betätigung gemeinnütziger Körperschaften

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 10.1.2019 (V R 60/17) in Bezug auf den klagenden Attac Trägerverein e.V. klargestellt, dass die Verfolgung politischer Zwecke nicht gemeinnützig ist. Gemeinnützige Körperschaften hätten kein allgemeinpolitisches Mandat. Der betroffene Verein könne sich auch nicht auf den gemeinnützigen Zweck der Förderung der Volksbildung (§ 52 Abs. 2 Nr. 7 AO) berufen. Dieser umfasse zwar auch die „Förderung der politischen Wahrnehmungsfähigkeit und des politischen Verantwortungsbewusstseins“. Politische Bildungsarbeit setze aber „ein Handeln in geistiger Offenheit voraus.“ Der klagende Verein betätige sich hingegen auf eine Weise, die darauf zielt, die „politische Willensbildung und die öffentliche Meinung im Sinne eigener Auffassungen zu beeinflussen“.

 

Auf Grundlage der Entscheidung ist davon auszugehen, dass politische Aktivitäten nicht zu einer Art Selbstzweck erstarken dürfen. Sie sind nur insoweit gemeinnützigkeitsunschädlich, als sie als Mittel zur Durchsetzung des gemeinnützigen satzungsmäßigen Zwecks dienen. Im Jahr 2017 hat der BFH diese Voraussetzung in Bezug auf den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) als erfüllt angesehen. Konkret ging es um ein vom Verein organisiertes Volksbegehren, mit dem erreicht werden sollte, dass bestimmte Strom-, Fernwärme- und Gasleitungsnetze wieder vollständig von der öffentlichen Hand übernommen werden. Die Richter urteilten, bei einer Körperschaft, deren Satzungsziel die Förderung des Umweltschutzes ist, stelle „der Versuch der Einflussnahme auf die Willensbildung staatlicher Stellen“ keine unzulässige politische Betätigung dar.

 

Hintergrund der Notwendigkeit, Grenzen für die zulässige politische Betätigung gemeinnütziger Körperschaften zu ziehen, ist vor allem die (steuer-)rechtliche Behandlung von Spenden (hierzu das Interview mit Prof. Dr. Birgit Weitemeyer, s.u.): Während Parteispenden im Interesse der Chancengleichheit von Parteien streng reglementiert und in nur sehr beschränktem Umfang steuerlich absetzbar sind, gelten für die Spenden an gemeinnützige Körperschaften keine entsprechenden Restriktionen. Würde man gemeinnützigen Körperschaften in unbeschränktem Umfang die politische Betätigung (oder auch Unterstützung politischer Parteien) gestatten, liefen die Regelungen über Parteispenden leer.

 

Siehe zum Attac-Urteil des BFH auch das Interview mit Prof. Dr. Birgit Weitemeyer, Bucerius Law School, Hamburg, im ZDF-Morgenmagazin vom 27.02.2019, sowie das Interview mit RA Stefan Winheller, WINHELLER Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, vom 27.02.2019 mit JUVE Steuermarkt.

 

15. Oktober 2018

BGH zur Eintragungsfähigkeit eines Vermögensverwaltungsvereins

Mit Beschluss vom 11.9.2018 (II ZB 11/17) hat der BGH entschieden, dass ein Verein, der eigenes Vermögen verwaltet, um Überschüsse an seine Mitglieder auszuschütten, als Wirtschaftsverein zu qualifizieren und daher nicht gemäß § 21 BGB als e.V. eintragungsfähig ist. In der Literatur war die Frage bisher uneinheitlich beantwortet worden (siehe Nachweise bei MüKoBGB/Leuschner, 8. Aufl. 2018, §§ 21, 22 Rn. 59 ff.).

 

Die Analyse der Entscheidungsgründe macht deutlich, dass der BGH im Rahmen der Vereinsklassenabgrenzung nunmehr ausschließlich auf die subjektive Zwecksetzung abstellt: Ist der Zweck des Vereins auf die Gewinnausschüttung an die Mitglieder gerichtet, handelt es sich um einen Wirtschaftsverein. In allen anderen Fällen wird man von einer Nichtwirtschaftlichkeit und somit Eintragungsfähigkeit ausgehen können. Ob sich der Verein wirtschaftlich betätigt, d.h. Leistungen am Markt anbietet, spielte für die Richter – auch wenn ihre Ausführungen insoweit nicht eindeutig sind – offenbar keine Rolle. Die Entscheidung lässt zugleich erkennen, dass dem Aspekt der steuerlichen Gemeinnützigkeit - ungeachtet der in den Kita-Beschlüssen  (BGH NJW 2017, 1943) betonten Indizwirkung - materiell keine Bedeutung zukommt. Denn andernfalls hätte es nahe gelegen, die Wirtschaftlichkeit des streitgegenständlichen Vereins aus dessen fehlender Gemeinnützigkeit herzuleiten.

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