23. März 2020

 

Corona und Vereinsrecht (Teil 2)

 

Die Bundesregierung hat eine "Formulierungshilfe" eines Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vorgelegt, welches voraussichtlich diese Woche noch verabschiedet wird. Art. 2 § 5 des Gesetzes sieht auch Änderungen des Vereins- bzw. Stiftungsrechts vor:

 

§ 5 Vereine und Stiftungen

(1) Ein Vorstandsmitglied eines Vereins oder einer Stiftung bleibt auch nach Ablauf seiner Amtszeit bis zu seiner Abberufung oder bis zur Bestellung seines Nachfolgers im Amt.

(2) Abweichend von § 32 Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kann der Vorstand auch ohne Ermächtigung in der Satzung Vereinsmitgliedern ermöglichen,

1. an der Mitgliederversammlung ohne Anwesenheit am Versammlungsort teilzunehmen und Mitgliederrechte im Wege der elektronischen Kommunikation auszuüben oder

2. ohne Teilnahme an der Mitgliederversammlung ihre Stimmen vor der Durchführung der Mitgliederversammlung schriftlich abzugeben.

 

(3) Abweichend von § 32 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist ein Beschluss ohne Versammlung der Mitglieder gültig, wenn alle Mitglieder beteiligt wurden, bis zu dem vom Verein gesetzten Termin mindestens die Hälfte der Mitglieder ihre Stimmen in Textform abgegeben haben und der Beschluss mit der erforderlichen Mehrheit gefasst wurde.

 

Die Gesetzesänderung, deren Wirkung zunächst bis zum 31.12.2021 beschränkt sein soll, bewirkt Folgendes:

 

1. Automatische Verlängerung der Amtszeit

Abs. 1 bewirkt, dass Vorstandsmitglieder auch nach Ablauf ihrer Amtszeit zunächst im Amt bleiben, d.h. eine Wieder- oder Neubestellung nicht zwingend erforderlich ist, um die Handlungsfähigkeit des Vereins (bzw. der Stiftung) aufrecht zu erhalten.

 

2. Beschlussfassung aufgrund virtueller Versammlung (Modifikation von § 32 Abs. 1 BGB)

Gemäß Abs. 2 Nr. 1 steht nunmehr fest, dass eine virtuelle Versammlung der Präsenzversammlung gleichgestellt ist und folglich in ihr wirksame Beschlüsse gefasst werden können. Die virtuelle Versammlung bedarf hiernach weder einer Satzungsgrundlage noch der Zustimmung sämtlicher Mitglieder.

 

3. „Gemischte“ Beschlussfassung

Zusätzlich wird es durch Abs. 2  Nr. 2 möglich, dass einzelne Mitglieder ihre Stimmen im Vorfeld einer (virtuellen oder physischen) Versammlung schriftlich (zB per Fax) abgeben.

 

4. Beschlussfassung ohne Versammlung im Umlaufverfahren (Modifikation von § 32 Abs. 2 BGB)

Schließlich erleichtert es Abs. 3 durch die Modifikation der Anforderungen des § 32 Abs. 2 BGB, Beschlüsse ohne jede Form der Versammlung im Umlaufverfahren zu fassen. Eine Beschlussfassung im Umlaufverfahren ist hiernach wirksam, wenn (i) alle Mitglieder beteiligt werden und (ii) bis zum Ende der gesetzten Entscheidungsfrist mindestens die Hälfte von ihnen in Textform (E-Mail, SMS, WhatsApp usw.) an der Abstimmung teilgenommen hat.

 

5. Keine entsprechende Geltung von § 5 Abs. 2 und 3 für Vorstandsbeschlüsse und die Stiftung

Aufgrund der Verweisungen in den §§ 28, 86 S. 1 BGB hat es auf den ersten Blick den Anschein, als würden die Erleichterungen des § 5 Abs. 2 und Abs. 3 auch für die Beschlüsse des mehrgliedrigen Vereinsvorstandes sowie die Beschlüsse entsprechender Organe bei der Stiftung gelten. Dem ist aber in Anbetracht der besonderen Regelungstechnik des Gesetzes wohl nicht so: Denn die Regelungen in § 5 Abs. 2 und Abs. 3 ändern nicht § 32 BGB, sondern schaffen lediglich eine in ihrem Anwendungsbereich auf Beschlüsse der Mitgliederversammlung beschränkte (und zeitlich begrenzte) Sonderregelung. § 32 BGB als solches bleibt unverändert und in der Folge ändert sich auch die Rechtslage für den mehrgliedrigen Vereinsvorstand sowie die entsprechenden Stiftungsorgane nicht (Anmerkung: Die ursprünglich an dieser Stelle vertretene Auffassung wurde korrigiert).

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