20. September 2021

 

Die Dorfwirtschaft ist kein Wirtschaftsverein!

 

Über vier Jahre ist es nun her, dass der BGH mit seinen Kita-Beschlüssen (u.a. BGH NJW 2017, 1943) die über Jahrzehnte herrschende – von den Registergerichten freilich selten konsequent angewandte – teleologisch-typologische Vereinsklassenabgrenzung durch einen neuen, deutlich liberaleren Ansatz abgelöst hat. Maßgeblich ist hiernach nicht mehr, ob und in welchem Umfang sich ein Verein wirtschaftlich betätigt. Für die Qualifikation als nichtwirtschaftlicher und somit eintragungsfähiger Verein im Sinne des § 21 BGB genüge es, dass der Vereinszweck nicht darauf gerichtet ist, zugunsten seiner Mitglieder Gewinn zu erwirtschaften.

 

Eine im Anschluss an die BGH-Beschlüsse offene Frage war, ob die skizzierten Grundsätze für alle Vereine gelten oder nur für solche, die als gemeinnützig im Sinne der §§ 51 ff. AO anerkannt sind. Letztere Sichtweise lag deshalb nicht ganz fern, weil die streitgegenständlichen Kita-Vereine gemeinnützig waren und der BGH diesem Umstand in seiner Entscheidungsbegründung erhebliche Bedeutung beigemessen hat. Die Frage wurde in den Tagen nach der Entscheidungsverkündung vor allem deshalb heiß diskutiert, weil dem Bundestag zu dieser Zeit der „Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung unternehmerischer Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement und zum Bürokratieabbau bei Genossenschaften“ (BT-Drs. 18/11506) vorlag. Dieser beinhaltete eine Änderung des § 22 BGB, wonach bestimmte – in der Regel nicht gemeinnützige – Initiativen wie u.a. Dorfläden der Weg in die Rechtform des konzessionierten Wirtschaftsvereins geebnet werden sollte. Da entsprechende Vereinigungen typischerweise ihren Zweck unmittelbar durch einen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs verfolgen (Zweckbetrieb), ging der Entwurf (zu Recht) davon aus, dass ihnen auf Grundlage der bis dahin maßgeblichen teleologisch-typologischen Vereinsklassenabgrenzung der Weg in die Vereinsregister versperrt ist. Sollte nun aber die Kita-Rechtsprechung auch auf nicht gemeinnützige Vereine Anwendung finden, wäre diese Sichtweise überholt und die geplante Änderung des § 22 BGB überflüssig.

 

Der Bundestag machte sich auf Empfehlung des Rechtsausschusses letztere Sichtweise zu Eigen und verzichtete in der Folge auf die Änderung von § 22 BGB. In der Beschlussempfehlung heißt es (BT-Drs. 18/12998, S. 19):

 

„Nach Auffassung des Ausschusses können aber auch regelmäßig nicht als gemeinnützig anerkannte Initiativen wie z. B. Dorfläden, soweit sie einen ideellen Hauptzweck verfolgen und nicht gewinnorientiert und auf Ausschüttung von Gewinnen gerichtet sind, als Idealverein eingetragen werden.“

Der aktuelle Fall eines niedersächsischen Vereins, der zum Zweck des „Förderung des sozialen Miteinanders, der Begegnung von Menschen und dem Kampf gegen Vereinsamung“ eine Dorfgaststätte betreiben möchte, zeigt, dass diese eindeutige Aussage offenbar nicht bei allen Registergerichten angekommen ist. Ungeachtet entsprechender Hinweise beharrte der zuständige Rechtspfleger auf der Einschätzung, ein Verein, dessen Hauptaktivität das Betreiben einer Gaststätte ist, sei nicht eintragungsfähig. Für den Verein und das betroffene Dorf ist diese Ignoranz bitter, führt sie doch dazu, dass der Beginn eines ganz und gar lobenswerten Projektes unter Umständen erheblich verzögert wird. Für die Rechtsentwicklung bietet der Fall immerhin die Chance, dass nunmehr das OLG Celle im Beschwerdeverfahren eine Entscheidung fällt, die bewirkt, dass vergleichbaren Initiativen zukünftig solche Schwierigkeiten erspart bleiben.

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