12. Juni 2023

 

OLG Hamm: Übermittlung der Mitgliederliste samt E-Mail-Adressen & Datenschutz nach DSGVO

 

- von wiss. Mit. Tim Wöffen, LL.M. -

 

Das OLG Hamm (Urt. v. 26.4.3023 – 8 U 94/22) entschied, dass einem Vereinsmitglied ein aus dem Mitgliedschaftsverhältnis fließendes Recht auf Übermittlung einer Mitgliederliste zusteht, die auch E-Mail-Adressen der (in diesem Fall ca. 5.500) Mitglieder enthält, soweit es ein berechtigtes Interesse hat und dem keine überwiegenden Geheimhaltungsinteressen des Vereins oder berechtigte Belange der Vereinsmitglieder entgegenstehen. Ein solches berechtigtes Interesse sei u.a. auch dann gegeben, wenn eine Kontaktaufnahme mit anderen Vereinsmitgliedern beabsichtigt ist, um eine Opposition gegen die vom Vorstand eingeschlagene Richtung der Vereinsführung zu organisieren. Dies sei auch datenschutzrechtlich von dem Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 lit b) DSGVO gedeckt, wonach die Übermittlung auf Anfrage der betroffenen Person „für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, […]“ erforderlich ist.

 

Zu diesem Urteil lässt sich anmerken, dass die Verpflichtung zur Herausgabe von E-Mail-Adressen keine Neuheit darstellt, nachdem in einer anderen Entscheidung das AG Hannover (Urt. v. 13. 2. 2019 - 435 C 10856/18 = SpuRt 2019, 179 m. krit. Anm. Lambertz; und Anm. Krüger/Saberzadeh, npoR 2019, 261) bereits die Herausgabe der Mitgliederliste von Hannover 96 (ca. 23.000 Mitglieder) einschließlich E-Mail-Adressen gebilligt hatte. Nicht ganz richtig scheint es, dass das OLG Hamm die Herausgabe in diesem Fall auf den Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 lit b) DSGVO gestützt hat. Dieser passt eher in den Fällen, in denen der Verein nach seinem Zweck bereits darauf zielt, den Kontakt zwischen den Vereinsmitgliedern herzustellen (etwa im Falle von Alumni-Vereinen oder andere Ehemaligen-Vereinen wie etwa die Amicalen der französischen Fremdenlegion; siehe Winheller/Stepanova, 2. Aufl. 2020, Anhang zu 3.1, Rn. 24). Hier einschlägig ist vielmehr Art. 6 Abs. 1 lit f) DSGVO, wonach die Übermittlung „zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen […]“ (so bereits AG Hannover, SpuRt 2019, 179, 180 und Winheller/Stepanova, 2. Aufl. 2020, Anhang zu 3.1, Rn. 25).

 

Das Landgericht hatte die Herausgabe unmittelbar an das Mitglied noch mit Verweis auf die gesetzgeberische Wertung des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG abgelehnt, wonach eine „unzumutbare Belästigung“ vorliegt, im Falle der Werbung u.a. mit elektronischer Post, ohne dass eine ausdrückliche Einwilligung vorliegt. Bei einigen Vereinen, die für die Mitglieder vorrangig den Charakter eines Dienstleisters haben (etwa der ADAC e.V. mit seiner Pannenhilfe), mag diese Erwartung auch zutreffen. Es wäre wünschenswert, wenn auch dieses vorinstanzliche Urteil des LG Dortmund mit seiner Begründung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht würde. Die Mitveröffentlichung der vorangegangenen instanzgerichtlichen Urteile sollte ein selbstverständlicher Standard werden (siehe Hamann, JZ 2021, 656 - Der blinde Fleck der deutschen Rechtswissenschaft – Zur digitalen Verfügbarkeit instanzgerichtlicher Rechtsprechung).

 

Das Urteil lädt zudem dazu ein, die Informationsrechte der Mitglieder bzw. Mitgesellschafter übereinander und das Informationsrecht Dritter einmal bei den verschiedenen Rechtsformen vergleichend in den Blick zu nehmen:

Ob die unterschiedlichen Regelungen in jedem Fall gerechtfertigt sind, ist zweifelhaft (kritisch auch im Hinblick auf den Unterschied zwischen öffentlicher Gesellschafterliste der GmbH und nicht öffentlichem Aktionärsregister der AktG: Bayer, Liber Amicorum Martin Winter, S. 9, 16f). Erneut ergibt sich der Eindruck eines unsystematischen Flickenteppichs, den der Gesetzgeber in jüngster Zeit auch bei den disparaten Regelungen zur virtuellen Versammlung bei den unterschiedlichen Rechtsformen hinterlassen hat. Eine intensivere Koordinierung und Stimmigkeitsprüfung zwischen den einzelnen Referaten des Gesellschaftsrechts wäre wünschenswert.

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