20. Juli 2021
- von Tim Wöffen -
Die Vertretungsmacht unterliegt keiner automatischen Beschränkung durch den Vereins- bzw. Stiftungszweck. Damit hat sich der BGH in der o.g. Entscheidung explizit von der Ultra-Vires-Lehre verabschiedet und sich der überwiegenden Literatur angeschlossen. So weit, so gut.
Abgesehen davon, so urteilten die Richter allerdings weiter, ist es gemäß § 26 Abs. 1 S. 3 BGB zulässig, durch eine ausdrückliche Satzungsregelung die Vertretungsmacht auf den Zweck zu beschränken. Ist dieser Zweck gemeinnützig, so umfasst die Beschränkung auch die Gemeinnützigkeit (!). Für gemeinnützigkeitsschädliche Rechtsgeschäfte besteht dann keine Vertretungsmacht. Im zugrundeliegenden Fall lautete die Satzungsregelung einer Stiftung: „Der Vorstand ist in seiner Vertretungsmacht durch den Zweck der Stiftung beschränkt.“ Dabei kam in der Satzung hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass diese Beschränkung nach außen wirken soll. Problematisch ist aber, dass das Gericht auch die inhaltliche Bestimmtheit der Beschränkung als gegeben ansah. Im dem zu entscheidenden Fall widersprach ein Lizenzvertrag den Voraussetzungen (§§ 51 ff AO) des gemeinnützigen Stiftungszwecks, so dass der BGH die Vertretungsmacht und somit das Zustandekommen des Vertrags ablehnte.
Unklar ist, wie viele Vereine und Stiftungen überhaupt von einer solchen Zweck-Beschränkung der Vertretungsmacht in ihren Satzungen Gebrauch machen. Existiert eine entsprechende Klausel, ist dem Verkehrsschutz auf Grundlage der BGH-Entscheidung jedenfalls ein Bärendienst erwiesen. Denn „ein Blick in die Satzung“ reicht dann nicht mehr. Das Abschlussrisiko wird dem Vertragspartner aufgebürdet, welcher – ohne vertiefte steuerrechtliche Prüfung – nicht beurteilen kann, ob ein Rechtsgeschäft der Gemeinnützigkeit des Gegenübers schadet. Der Verweis auf die persönliche Haftung des Vorstands im Falle fehlender Vertretungsmacht gem. § 179 Abs. 1 BGB wird den Vertragspartner kaum zufriedenstellen. Vereine und Stiftungen werden wohl auch im eigenen Interesse für klarere Verhältnisse sorgen wollen und andere Beschränkungen (z.B. summenmäßige) der Kaffeesatzleserei vorziehen. Bei Vereinen ist zudem das Eintragungserfordernis gem. § 64 BGB zu beachten (und für Stiftungen künftig nach § 82b Abs. 2 S. 2 BGB-E). An die Bestimmtheit von Einschränkungen gemäß § 26 Abs. 1 S. 3 BGB – eine Vorschrift die in Österreich und der Schweiz kein Pendant findet (vgl. Segna in BeckOGK § 26 BGB Rn. 30.2) – sollten nach Aufgabe der Ultra-Vires-Lehre künftig höhere Anforderungen gestellt werden, nicht niedrigere (vgl. Leuschner in MüKo § 26 BGB Rn. 33).