20. März 2024
- von Prof. Dr. Lars Leuschner -
In einem bemerkenswerten Beschluss vom 29. Februar 2024 (siehe PDF am Ende) hat das Landgericht Hannover einen Anspruch des Hannoverscher Sport-Verein von 1896 e.V. (Hannover 96 e.V.) gegen die Hannover 96 Management GmbH aus § 51a GmbHG (Management GmbH) auf Auskunftserteilung über deren Abstimmungsverhalten in der Mitgliederversammlung des DFL Deutsche Fußball Liga e.V. (DFL) vom 11. Dezember 2023 bezüglich der Beschlussfassung über einen möglichen Investoreneinstieg verneint. Konkret ging es um die Frage, wie Martin Kind als Geschäftsführer der Management GmbH, welche ihrerseits als Vertreterin der Hannover 96 GmbH & Co. KG aA (Hannover 96 KGaA) handelte, abgestimmt hat. Sie hat deshalb große Bedeutung, weil die von der DFL für die Abstimmung proklamierte 2/3-Mehrheit exakt mit der Mindestzahl der erforderlichen Stimmen erreicht wurde.
Zum Hintergrund gilt es zu wissen, dass der Hannover 96 e.V. im Vorfeld der Abstimmung als Alleingesellschafter der Management GmbH einen Beschluss gefasst hat, wonach Martin Kind angewiesen wurde, gegen den Investoreneinstieg zu stimmen. Angesichts des Stimmergebnisses am 11. Dezember 2023 sowie der Erklärung der übrigen DFL-Mitglieder zu ihrem Stimmverhalten liegt der Verdacht nahe, dass Martin Kind in der geheim durchgeführten Abstimmung weisungswidrig für den Investoreneinstieg gestimmt hat. Verstärkt wird dieser Eindruck dadurch, dass Martin Kind die Rechtsauffassung vertritt, aufgrund des unter anderem zwischen dem Hannover 96 e.V. und der Hannover 96 KGaA geschlossenen sogenannten „Hannover-96-Vertrags“ als Geschäftsführer der Management GmbH im Bereich des Profifußballs keinen Weisungen zu unterliegen. Des Weiteren gilt es zu wissen, dass aufgrund der Satzung der Management GmbH das Recht zur Bestellung und Abberufung der Geschäftsführung bei einem Aufsichtsrat liegt, dessen Mitglieder vom Hannover 96 e.V. nur zur Hälfte besetzt werden.
Das Landgericht Hannover anerkennt zwar im Ausgangspunkt, dass sich der Auskunftsanspruch aus § 51a GmbHG auf Angelegenheiten der Hannover 96 KGaA erstreckt und somit auch das infrage stehende Abstimmungsverhalten in der Mitgliederversammlung der DFL erfasst. Die vorliegende Geltendmachung des Auskunftsanspruchs seitens des Hannover 96 e.V. sei aber „nicht zweckentsprechend“ und verstoße daher gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Begründet wird dies im Wesentlichen mit den nachfolgenden vier Argumenten:
1. Der Hannover 96 e.V. habe kein berechtigtes Interesse zu erfahren, ob Martin Kind gegebenenfalls weisungswidrig abgestimmt hat, da er aufgrund der Satzungsgestaltung keine Möglichkeit habe, hieraus im Wege der Abberufung Konsequenzen zu ziehen (Abberufungskompetenz beim paritätisch besetzten Aufsichtsrat).
2. Der Auskunftserteilung stehe die in der Mitgliederversammlung der DFL vom 11. Dezember 2023 getroffene "Geheimhaltungsvereinbarung" entgegen. Die Hannover 96 KGaA habe ein Interesse an der Einhaltung der Geheimhaltungsvereinbarung, da die Nichteinhaltung zumindest für Irritationen bei den weiteren Mitgliedern der DFL führen und den Erfolg des Investorenprozesses gefährden könne.
3. Es sei nicht mit dem Zweck des Auskunftsanspruchs vereinbar, dass der Hannover 96 e.V. die Information über das infrage stehende Abstimmungsverhalten dazu nutzen wolle, „Stimmung gegen die Entscheidung über den Investoren-Einstieg“ zu machen sowie seine Auslegung der „50+1-Regelung“ durchzusetzen.
4. Weil der Hannover 96 e.V. über etwa 20.000 Mitglieder verfügt, sei nicht zu verhindern, dass das infrage stehende Abstimmungsverhalten im Fall der Auskunftserteilung öffentlich werde.
Alle vier Argumente halten einer Überprüfung auch nicht im Ansatz stand. Im Einzelnen:
Ad. 1: Für die Berechtigung des Auskunftsverlangens spielt es keine Rolle, ob der Gesellschafter im Fall einer bestimmten Auskunftserteilung hieraus unmittelbar Rechte herleiten kann. Dass der Hannover 96 e.V. trotz seiner Stellung als Alleingesellschafter möglicherweise nicht in der Lage ist, Martin Kind abzuberufen (die Frage ist gerade anhängig beim BGH – Az. II ZR 71/23), ist daher unerheblich. Der Auskunftsanspruch aus § 51a GmbHG ist ein Minderheitsrecht, d.h. er steht jedem Gesellschafter unabhängig von seiner Beteiligungshöhe zu. Er kann daher auch von einem Minderheitsgesellschafter geltend gemacht werden, der überhaupt keine realistische Chance hat, als Reaktion auf die Informationserlangung in der Gesellschafterversammlung bestimmte Entscheidungen durchzusetzen. Denkt man die Logik des Landgerichts Hannover fort, könnte man Minderheitsgesellschaftern die Teilnahme an einer Gesellschafterversammlung mit dem Hinweis verweigern, sie hätten ohnehin keine Chance, auf das Beschlussergebnis Einfluss zu nehmen. Das widerspricht allen anerkannten Grundsätzen des Gesellschaftsrechts.
Zudem gilt es zu beachten, dass der Hannover 96 e.V. sehr wohl rechtliche Möglichkeiten hat, auf ein etwaiges weisungswidriges Verhalten von Martin Kind zu reagieren. Selbst wenn man mit dem OLG Celle eine satzungsdurchbrechende Abberufung des Geschäftsführers für unzulässig hält (NZG 2023, 71), kommt grundsätzlich die Geltendmachung von Schadensersatz- und Unterlassungsansprüchen in Betracht. Zudem könnte der Hannover 96 e.V. die von ihm in den Aufsichtsrat der Management GmbH entsandten Aufsichtsratsmitglieder abberufen, sofern diese nicht zumindest versuchen, aus einem mutmaßlich weisungswidrigen Verhalten des Geschäftsführers Konsequenzen zu ziehen.
Ad. 2: Die Vereinbarung der geheimen Abstimmung in der Mitgliederversammlung der DFL am 11. Dezember 2023 stellt selbstredend keine Geheimhaltungsvereinbarung dar, die geeignet wäre, den Auskunftsanspruch aus § 51a GmbHG auszuschließen oder einzuschränken. Die Vereinbarung einer geheimen Abstimmung bedeutet nur, dass der Abstimmende sein Abstimmungsverhalten nicht offenlegen muss, nicht aber, dass er dies nicht darf! Auch dem Landgericht Hannover dürfte nicht entgangen sein, dass sich nahezu sämtliche übrigen Mitglieder der DFL im Nachgang zu der Abstimmung am 11. Dezember 2023 zu ihrem Abstimmungsverhalten bekannt haben.
Ad. 3: Wenn man unterstellt, dass Martin Kind entgegen der Weisung des Hannover 96 e.V. die entscheidende Ja-Stimme für den Investoreneinstieg abgegeben hat, ist es mehr als nur legitim, dass der Hannover 96 e.V. in der Folge gegen den Investoreneinstieg „Stimmung macht“ bzw. eine Neuabstimmung fordert. Ebenso ist es selbstverständlich legitim, dass man sich hierbei der Medien bedient.
Ad. 4: Dass eine Körperschaft alleine deshalb, weil sie über eine große Mitgliederzahl verfügt, vom Auskunftsanspruch aus § 51a GmbHG ausgeschlossen sein soll, ist unhaltbar. Wäre dem so, könnte sich keine der vielen Publikums-AG, die als Konzernspitzen Gesellschafter von Tochter-GmbH sind, diesen gegenüber auf ihren Auskunftsanspruch berufen.
Man kann die Entscheidung des Landgerichts Hannover nach all dem nur als absurd bezeichnen. Das gilt nicht nur für die zuvor im Einzelnen dargestellten Begründungsversuche. Auch die der Entscheidung zugrunde liegende offenkundige Voreingenommenheit zugunsten eines Investoreneinstiegs bei der DFL irritiert zutiefst, da die Zweckmäßigkeit des Investoreneinstiegs für die streitgegenständliche Entscheidung völlig irrelevant ist. Dass gegen einen solchen Beschluss keine Rechtsmittel möglich sind (in FamFG-Verfahren ist keine Nichtzulassungsbeschwerde vorgesehen), ist ein unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten kaum zu ertragender Zustand.