4. Februar 2021

 

Was darf eine Wahlkommission?

 

Viele Großvereine sehen in ihren Satzungen eine Wahlkommission vor (Synonym: „Wahlausschuss“ oder auch „Wahlvorstand“), die in die Vorbereitung und Durchführung der Vorstands- und/oder Aufsichtsratswahlen eingebunden ist. Die jüngeren Ereignisse rund um die Mitgliederversammlung des 1. FSV Mainz 05  zeigen, dass bezüglich der Frage, wie weit die Befugnisse einer solchen Kommission reichen, im Einzelfall erhebliche Unsicherheit bestehen kann (siehe u.a. FAZ vom 3.2.2021). Präjudizen gibt hierzu soweit ersichtlich keine. Auch in der vereinsrechtlichen Literatur wird die Problematik nicht diskutiert.

 

Die typische Funktion einer Wahlkommission besteht darin, die Mitgliederversammlung, das kraft Gesetz oberste Willensbildungsorgan des Vereins, im Zusammenhang mit Wahlen zu unterstützen. Um eine neutrale, von der Einflussnahme der bisherigen Organmitglieder unabhängige Wahl sicherzustellen, werden entsprechende Kommissionen zum Beispiel damit betraut, den Wahlgang zu leiten, die Stimmen auszuzählen und das Wahlergebnis zu verkünden. Häufig erstrecken sich die Aufgaben der Wahlkommission aber auch auf die Vorbereitung der Mitgliederversammlung. So besteht typischerweise eine Zuständigkeit dafür zu überprüfen, ob die Kandidaten*innen bestimmte formale Kriterien erfüllen (fristwahrende Bewerbung, Vereinsmitgliedschaft usw.). Darüber hinaus kann es Aufgabe der Wahlkommission sein zu verhindern, dass die Mitgliederversammlung mit einer übermäßigen Anzahl von Kandidaten*innen um die zu besetzenden Posten überflutet wird. Das ist sinnvoll, da die Mitglieder realistischerweise nur in der Lage sind, sich mit einer begrenzten Anzahl von Kandidaten*innen inhaltlich auseinanderzusetzen und andernfalls eine befriedigende Willensbildung innerhalb der Mitgliederversammlung kaum möglich wäre. Besteht ein entsprechender Auftrag, impliziert das, dass die Wahlkommission zur Reduktion des Kandidaten*innen-Kreises über die formale Vorauswahl auch eine Vorauswahl anhand materieller Kriterien vornehmen darf und muss. In der Regel wird sich dabei ihr Auswahlermessen aber auf ein notwendiges Minimum beschränken. Zwar wäre es rechtlich möglich, der Wahlkommission eine stärkere Stellung einzuräumen und ihr zu erlauben, die Wahlentscheidung der Mitgliederversammlung partiell oder sogar ganz vorwegzunehmen. Denn anerkanntermaßen kann in der Satzung die kraft Gesetz (§ 27 Abs. 1 BGB) der Mitgliederversammlung zugewiesene Kompetenz zur Bestellung des Vorstandes sogar vollständig auf ein anderes Organ übertragen werden (u.a. MüKoBGB/Leuschner, 8. Aufl. 2018, BGB § 27 Rn. 18). Der typischen, der Mitgliederversammlung gegenüber dienenden Funktion einer Wahlkommission entspricht das aber gerade nicht.

 

Bei der Auslegung der im Einzelfall einschlägigen Satzungsbestimmungen sind die vorangegangen Überlegungen zu berücksichtigen: Lässt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Satzung erkennen, dass es sich um eine typische Wahlkommission handelt, die die Mitgliederversammlung bei deren Willensbildung nur unterstützen soll, ist dem bei der Interpretation einzelner Regelungen Rechnung zu tragen. Befugnisse der Wahlkommission, die die der Mitgliederversammlung einschränken, sind dann auf das notwendige Minimum zu reduzieren. Eine Satzungsbestimmung, wonach die Wahlkommission „bis zu 16 der zu wählenden Mitglieder Kandidaten für den Aufsichtsrat vorschlagen kann“, ist vor diesem Hintergrund so zu verstehen, dass die Kommission zu einer Selektion anhand materieller Kriterien erst und nur insoweit (!) ermächtigt ist, als die Anzahl (der unter formellen Gesichtspunkten zu berücksichtigenden) Kandidaten*innen die Zahl von 16 überschreitet. Die – unter semantischen Gesichtspunkten – denkbare gegenteilige Interpretation, wonach es der Wahlkommission möglich sein soll, den Kandidaten*innen-Kreis im Rahmen einer materiellen Vorauswahl auf weniger als 16 zu reduzieren, würde demgegenüber einen erheblichen Eingriff in die Befugnisse der Mitgliederversammlung bewirken und stünde damit im Widerspruch zu dem der Wahlkommission vom Satzungsgeber zugedachten Funktion. Verdeutlichen lässt sich dies anhand einer einfachen Überlegung: Sieht die Satzung vor, dass der Aufsichtsrat aus mindestens fünf und maximal acht Mitgliedern besteht, könnte die Wahlkommission ansonsten den Kandidaten*innen-Kreis im Extremfall bis auf fünf reduzieren. Auf diese Weise würde sie der Mitgliederversammlung sowohl die Entscheidung über die Größe als auch über die Besetzung des Aufsichtsrats abnehmen. Die Mitgliederversammlung wäre zu einem bloßen Vollzugsorgan degradiert.

 

Im Rahmen der Satzungsgestaltung sollte versucht werden, etwaige Zweifelsfragen von vornherein durch präzise Formulierungen zu minimieren. Empfehlenswert ist eine einleitende Klarstellung, dass Aufgabe der Wahlkommission die Unterstützung der Mitgliederversammlung ist. Ferner sollte klar definiert werden, ab dem Überschreiten welcher Anzahl von Kandidaten*innen, in welchem quantitativen Umfang und unter Zugrundelegung welcher materiellen Kriterien eine Vorauswahl durch die Wahlkommission zu erfolgen hat. Schließlich kann es zweckmäßig sein zu regeln, dass amtierende Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder, die erneut zur Wahl antreten, von einer etwaigen Vorauswahl der Wahlkommission ausgenommen und nicht auf die maximale Anzahl der vorzuschlagenden Kandidaten*innen anzurechnen sind. Durch eine solche Regelung wird jeder Anschein vermieden, dass Funktionsträger möglicherweise „undemokratisch“, d.h. ohne Einbeziehung der Mitgliederversammlung aus dem Amt gedrängt werden. Hinzu kommt, dass die entsprechenden Kandidaten*innen den Mitgliedern in der Regel bereits bekannt sind und daher die Komplexität der zu treffenden Entscheidung nicht signifikant erhöhen.

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