1. Mai 2020

 

Aussetzung der Pflicht zur Einberufung einer Mitgliederversammlung während der COVID-19-Pandemie?

 

Sieht die Satzung zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb eines bestimmten Zeitraumes die Abhaltung einer Mitgliederversammlung vor, begründet dies gemäß § 36, 1. Alt. BGB eine Einberufungspflicht des Vorstandes. Dass während der COVID-19-Pandemie die Abhaltung von Präsenzversammlungen vielfach nicht möglich ist, rechtfertigt als solches nicht, die Einberufung aufzuschieben oder Mitgliederversammlungen ganz entfallen zu lassen. Schließlich hat der Gesetzgeber in § 5 Abs. 2 Covid19-G die Möglichkeit geschaffen, virtuelle Mitgliederversammlungen durchzuführen.

 

Ist die Durchführung einer virtuellen Mitgliederversammlung indes nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich, erscheint in Ausnahmefällen eine Aussetzung der Einberufungspflicht denkbar. Stützen lässt sich dies auf die entsprechende Anwendung der Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313). Die in Folge der COVID-19-Pandemie eingetretenen Schwierigkeiten bei der Abhaltung von Präsenzversammlungen stellen eine schwerwiegende Änderung von Umständen dar, die die Beteiligten bei der Fassung entsprechender Satzungsklauseln nicht vorhergesehen haben. Die Möglichkeit, virtuelle Mitgliederversammlungen durchzuführen, dürfte nicht in allen Fällen geeignet sein, das zu kompensieren. Eine entsprechende Vorstellung liegt auch § 5 Abs. 3 Covid19-G zugrunde, der die Beschlussfassung im schriftlichen Verfahren und somit unabhängig von einer Mitgliederversammlung erleichtert. Ausweislich der Äußerung des mit der Formulierung des Gesetzes betrauten Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz wurde die Regelung mit Blick auf „kleine Vereine [getroffen], die nicht über die technischen Mittel oder das technische Know-how verfügen, um Mitgliederversammlungen im Internet durchzuführen" (siehe "Fragen und Antworten zur Handlungsfähigkeit für Vereine und Stiftungen während der Corona-Krise" vom 23. März 2020, Frage 5). Besteht hiernach für die Vereine die Möglichkeit, die meisten  Entscheidungen ohne Mitgliederversammlung zu treffen, erschiene es nicht gerechtfertigt, aufgrund einer die aktuellen Umstände nicht antizipierenden Satzungsklausel eine Verpflichtung zur Abhaltung einer Mitgliederversammlung anzunehmen, die unabhängig vom tatsächlichen Bedarf eingreift.

 

Die Aussetzung der Einberufungspflicht wird allerdings nur auf Grundlage einer umfassenden Abwägung und bei kumulativem Vorliegen der nachfolgenden Voraussetzungen in Betracht kommen: (1) Eine Präsenzversammlung ist wegen der COVID-19-Pandemie unzulässig bzw. unter Berücksichtigung der Mitgliederstruktur mit zu hohen Risiken bzw. unverhältnismäßigem Aufwand verbunden, (2) die Durchführung einer virtuellen Mitgliederversammlung ist unter Berücksichtigung der Mitgliederstruktur mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden, (3) es stehen keine unaufschiebbaren  Entscheidungen an, die nicht im Umlaufverfahren getroffen werden können, (4) die Amtszeit aller Vorstandsmitglieder besteht unabhängig von § 5 Abs. 1 Covid19-G oder einer vergleichbaren Satzungsbestimmung bis zur nächsten Mitgliederversammlung fort bzw. wird im Umlaufverfahren verlängert und (5) der Vorstand sorgt anderweitig für die hinreichende Information der Mitglieder.

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