15. April 2024
- von Prof. Dr. Lars Leuschner -
Dass der nicht eingetragene (nichtwirtschaftliche) Verein (vom Gesetzgeber in § 54 jetzt „Verein ohne Rechtspersönlichkeit“ genannt) materiell rechtsfähig ist und als solcher Rechte an Grundstücken erwerben und Gesellschafter einer Personengesellschaft, GmbH oder Aktiengesellschaft sein kann, steht außer Frage. Aber kann er trotz fehlender registerlicher Publizität
seiner Existenz, Identität und ordnungsgemäßen Vertretung auch im Grundbuch eingetragen werden? Kann er als Gesellschafter einer Personengesellschaft in das Gesellschafts- bzw. Handelsregister, als Gesellschafter einer GmbH in die Gesellschafterliste oder als Aktionär in das Aktienregister aufgenommen werden?
Bis zum MoPeG wurde die Registerfähigkeit mit der Einschränkung bejaht, es müssten neben dem Namen neV sämtliche Mitglieder eingetragen werden (was für Großorganisationen wie Parteien und Gewerkschaften angesichts ihrer Mitgliederzahl freilich keine realistische Option war). Man stützt sich insoweit auf eine Analogie zu den Regelungen für die (seinerzeit noch nicht in einem Gesellschaftsregister eintragungsfähige) GbR für Entsprechendes in den §§ 47 Abs. 2 GBO, 40 Abs. 1 S. 2 GmbHG, § 162 Abs. 1 S. 2 HGB a.F. geregelt war. Durch das MoPeG haben sich die Vorzeichen indes maßgeblich verändert. Für die GbR besteht nunmehr die Möglichkeit, sich im neu geschaffenen Gesellschaftsregister eintragen zu lassen (707 BGB) und es wurde ausdrücklich geregelt, dass die Eintragung der GbR im Grundbuch sowie als Gesellschafter einer anderen Gesellschaft im Gesellschaftsregister, im Handelsregister, in der Gesellschafterliste oder im Aktienregister nur in Betracht kommt, wenn die GbR von dieser Möglichkeit Gebrauch macht (§§ 707a Abs. 1 S. 2 BGB, 40 Abs. 1 S. 3 GmbHG, 67 Abs. 1 S. 3 AktG). Man kann insoweit von einem Voreintragungserfordernis sprechen.
Obgleich § 54 BGB im Rahmen des MoPeG neu gefasst wurde, hat der Gesetzgeber die Frage der Registerfähigkeit des neV offenbar vollständig übersehen. Welche Auswirkungen die skizzierten die GbR betreffenden Änderungen auf ihn haben, wird unterschiedlich beurteilt (dazu bereits https://www.vereinsrechtstag.de/aktuelles/13-09-2023-mopeg-nev/). Manche meinen, für den neV bleibe alles beim Alten, d.h. er sei nach wie von mit der Einschränkung registerfähig, dass es der Eintragung sämtlicher Mitglieder bedürfe. Da aber die der bisher herrschenden Meinung zugrunde liegende Analogiebasis (§§ 47 Abs. 2 GBO, 40 Abs. 1 S. 2 GmbHG, § 162 Abs. 1 S. 2 HGB a.F.) durch das MoPeG beseitigt wurde, vermag das schwerlich zu überzeugen. Andere meinen, weil gemäß § 54 Abs. 1 S. 1 BGB für den neV nunmehr das Recht des eV Anwendung findet, sei der neV nunmehr wie der eV allein unter seinem Namen eintragungsfähig. Auch das erscheint indes nicht richtig. Denn § 54 Abs. 1 S. 1 BGB stellt den neV nicht generell dem eV gleich, sondern ordnet nur die entsprechende Anwendbarkeit der §§ 24 bis 53 BGB an.
Unter teleologisch-systematischen Gesichtspunkten überzeugt allein die von Enneking/Wöffen NZG 2023, 308 begründete Auffassung, wonach der neV ebenso wie die nicht eingetragene GbR keinen Zugang zum Grundbuch, dem Gesellschafts- und Handelsregister, der Gesellschafterliste und dem Aktienregister hat. Für eine unterschiedliche Behandlung der beiden Rechtsformen sind keine durchschlagenden Gründe ersichtlich und wurden vom Gesetzgeber auch an keiner Stelle angedeutet. Wer in die genannten Register bzw. Listen aufgenommen werden will, dem ist es zuzumuten, sich zuvor als Rechtsträger registrieren zu lassen. Wer das nicht will, muss mit den Konsequenzen leben und gegebenenfalls auf Treuhandlösungen zurückgreifen. Das gilt auch für Parteien und Gewerkschaften. Es erscheint an der Zeit, dass diese ihre historisch bedingten Vorbehalte gegen die Eintragung überwinden.