24. Januar 2025
- von Prof. Dr. Lars Leuschner -
Gemäß § 32 Abs. 2 S. 1 BGB kann nunmehr der Vorstand eines Vereins auch ohne entsprechende Satzungsgrundlage eine hybride Mitgliederversammlung einberufen. Dies ermöglicht es den Mitgliedern, an einer im Übrigen präsent durchgeführten Mitgliederversammlung auch ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation teilzunehmen und gegebenenfalls ihre Mitgliedschaftsrechte auszuüben. Es steht im Ermessen des Vorstands, ob er von dieser Möglichkeit Gebrauch macht.
Das Anliegen der Regelung, die virtuelle Teilnahme unbürokratisch (d.h ohne das Erfordernis einer Satzungsänderung) zu ermöglichen, ist uneingeschränkt zu begrüßen. Gerade bei großen Vereinen wie beispielsweise den Verein der Fußballbundesliga mit mehreren Tausenden Mitgliedern können § 32 Abs. 2 Satz 1 BGB zu einer deutlichen Steigerung der Entscheidungsteilhabe führen. Da den Mitgliedern im Fall der hybriden Versammlung stets die Möglichkeit der klassischen Präsenzteilnahme verbleibt, ist den Bedenken, Mitgliedschaftsrechte könnten ausgehöhlt werden, von vornherein die Grundlage entzogen.
Ob das skizzierte Regelunganliegen tatsächlich realisiert oder aber § 32 Abs. 2 Satz 1 zu „totem Recht“ wird, hängt entscheidend davon ab, welche Anforderungen an die Modalitäten der virtuellen Teilhabe gestellt werden. Folgt man der These eines Äquivalenzgebots, wonach die virtuelle Teilhabe auch im Rahmen einer Hybridversammlung der präsenten Teilnahme im Wesentlichen gleichwertig sein muss, droht Letzteres. Denn dies würde bedeuten, dass es einer Zwei-Wege-Verbindung in Echtzeit bedarf, die den Mitgliedern die Möglichkeit gibt, ihr Rede-, Antrags- und Stimmrecht auszuüben. Der damit verbundene technische Aufwand ist hoch. Ihn neben der Organisation der Präsenzversammlung zu erbringen, würde die Vereine vor große Herausforderungen stellen. Hinzu kommt die Gefahr technischer Störungen und das damit verbundene Unwirksamkeitsrisiko.
Vorzugswürdig erscheint es, im Fall der hybriden Mitgliederversammlung (anders als bei der rein virtuellen Versammlung gemäß § 32 Abs. 2 Satz 2 BGB) keinerlei Mindestanforderungen an die Modalitäten der virtuellen Teilhabe zu stellen (näher MüKoBGB/Leuschner, 10. Aufl. 2025, BGB § 32 Rn. 73 f.). Es sollte vielmehr im Ermessen des Einberufungsorgans stehen, ob die virtuell teilnehmenden Mitglieder lediglich passiv über die Geschehnisse in der Präsenzversammlung informiert werden oder darüber hinaus die Möglichkeit haben, sämtliche oder einzelne ihrer versammlungsbezogenen Mitgliedsrechte aktiv auszuüben (sachgerecht dürfte oftmals sein, die Versammlung zu streamen und den Mitglieder die Möglichgkleit zur Fernabstimmung zu geben). Für eine solche Interpretation der Vorschrift spricht, dass jede Möglichkeit, Mitgliedschaftsrechte – und sei es auch nur das Teilnahmerecht – ohne Präsenz am Versammlungsort wahrzunehmen, für die Mitglieder eine zusätzliche Option darstellt und somit ihre Rechte erweitert.
Interpretiert man § 32 Abs. 2 Satz 1 BGB in der geschilderten Art und Weise, könnte die Regelung ein Erfolgsmodell werden. Die Vorstände von großen Vereinen hätten kaum noch ein Argument um zu begründen, dass sie auf die Möglichkeit der Hybridversammlung verzichten. Der Vereinsdemokratie täte das gut.